Nosferas
stieß ihm feixend in die Rippen.
Der Dicke maulte, fasste aber mit an. Zu viert gelang es ihnen, den Leichnam auf den Karren zu legen. Dann machten sie sich daran, das Grab wieder zuzuschaufeln.
Der Geruch der Leiche wehte zu den jungen Vampiren herüber. Alisa fand ihn nicht so unangenehm, wie die Reaktion des Mannes es hätte vermuten lassen. Er war ein wenig süßlich und sprach vom Werden und Vergehen des Lebens. Genießbares Blut floss schon lange nicht mehr in diesen Adern und dennoch verursachte der Geruch ein Kribbeln in ihrem Körper. Ihre Sinne waren plötzlich hellwach, die Muskeln wie vor einem Sprung auf die Beute angespannt. Ihre Nasenflügel zitterten, die Augen verengten sich, um das Opfer besser fixieren zu können. Alisas Finger krampften sich um einen steinernen Sims. Sie warf den anderen einen raschen Blick zu. Auch in ihnen war das Jagdfieber erwacht.
»Vier, es sind nur vier«, murmelte Franz Leopold. »Das ist nichts. Ich müsste ihnen nur nahe genug kommen, dass ich ihnen in die Augen sehen und in ihre Gedanken eindringen kann. Das wären dann gleich fünf Studienobjekte für den Unterricht. Professor Ruguccio wird erfreut sein.« In den Tiefen seiner dunklen Augen glomm es rot.
Alisa und Ivy tauschten besorgte Blicke. Wollte er ihnen nur einen Schreck einjagen, oder hatte er wirklich vor, diese Wahnsinnsidee in die Tat umzusetzen?
»Achtet darauf, dass das Grab nachher wieder so aussieht wie zuvor!«, erklang die Stimme des Schlaksigen. »Wir dürfen keinen Verdacht erregen. Was glaubt ihr wohl, was passiert, wenn sie nachsehen und den Sarg leer vorfinden!«
»Ach, dann glauben sie, sie haben es mit einem Widergänger zu tun. Oder noch besser: mit einem Vampir, der sich aus seinem Grab erhoben hat und nun hier herumschleicht und allen das Blut aussaugt.«
»Sehr amüsant!«, meinte sein Kumpan trocken. »Und wer soll so etwas glauben?«
»Viele glauben an Vampire. Vor allem jetzt, nach diesen ungeklärten Todesfällen. Blutleere Leichen mit Bisswunden? Ich bitte dich, das können doch nur Vampire sein.« Der Dicke grinste.
»Ja, ja, das Volk will gern an seinen Spukgeschichten festhalten. Aber ich schätze, der Totengräber hätte eher uns im Visier. Wir sollten also dafür sorgen, dass von unserem Engländer keine Teile wieder auftauchen.« Er legte die Decken sorgfältig über den Toten und packte dann die Deichsel. »Los, helft mit!«
Franz Leopolds Augen verengten sich. »Seht ihr, man muss sie von ihrem Irrglauben befreien. Sie scheinen die Möglichkeit, sie könnten hier auf dem Friedhof einem Vampir begegnen, für einen Scherz zu halten. Überzeugen wir sie vom Gegenteil!«
Er wurde von drei Paar Händen gepackt. »Bist du verrückt? Du meinst das doch nicht wirklich!«, schimpfte Alisa. Obwohl er sich wehrte, ließen sie nicht von ihm ab, bis die Studenten mit ihrer Last auf dem Karren durch das Tor verschwunden waren. Dann erst traten sie zurück. Franz Leopold funkelte sie böse an und zupfte sich seinen Frack zurecht.
»Was seid ihr doch für Feiglinge!« Er wandte sich ab und ging hocherhobenen Hauptes davon. Die anderen folgten ihm kopfschüttelnd. Franz Leopold schritt geradewegs auf Professor Ruguccio zu und erzählte ihm von seiner Idee, menschliche Leichen als Studienobjekte zu benutzen.
Der Professor starrte ihn erst verdutzt an, doch dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. »Guter Einfall, Franz Leopold, das muss ich sagen! Dann sucht uns mal ein paar frische Gräber, damit wir sie gleich mitnehmen können. Drei genügen! Die Servienten sollen sie ausgraben und zur Domus Aurea tragen.« Damit eilte er davon, um Signora Enrica von der Idee zu berichten.
Franz Leopold drehte sich zu den anderen um. »Nun, das hättet ihr nicht gedacht«, meinte er und lächelte überlegen.
»Nein«, sagte Alisa. »Das hätte ich wirklich nicht gedacht!«
Luciano grinste. »Ich sage das ja nur ungern, aber ich denke, dank Franz Leopolds Einfall werden wir morgen Nacht ein paar interessante Stunden erleben. Ich bin gespannt!«
Franz Leopold legte sich die Handfläche auf die Brust und verbeugte sich. »Ich danke für dieses ungewohnte Lob aus römischem Mund und freue mich, dass meine Idee so geschätzt wird.«
Seine Worte klangen spöttisch, doch Alisa hatte das Gefühl, dass sie mehr Wahrheit enthielten, als der Wiener Vampir zuzugeben bereit gewesen wäre.
ANATOMIEUNTERRICHT
Der Heilige Vater saß in seinem üppig grünen Garten im Vatikan, eine
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