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Notaufnahme

Notaufnahme

Titel: Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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niemandem gesprochen. Sie hat mit dem Messer gesprochen.«
    Irgendwie musste ich die Unterhaltung wieder in vernünftige Bahnen lenken. Ich musste ihn vollständig über sein Aussageverweigerungsrecht aufklären und gleichzeitig dafür sorgen, dass er nicht die Lust verlor, über den Mord zu sprechen.
    Plötzlich veränderte sich Pops’ Miene. Er kniff die Lippen fest zusammen und hielt sich mit den Händen beide Ohren zu. Mercer packte seinen linken Arm und zog die Hand vom Ohr weg. Pops wiegte seinen Oberkörper nervös hin und her und bat uns winselnd um ein Kleenex. Mercer nickte mir zu, woraufhin ich den Raum verließ, um ein paar Papiertaschentücher aus meiner Handtasche zu holen. Ich reichte Pops die ganze Packung. Er bedankte sich mit einem schiefen Lächeln und begann, die Papiertücher in kleine Fetzen zu reißen, die er zu Kugeln formte und sich in die Ohren steckte.
    Auch nachdem er sich die Ohren zugestopft hatte, schaukelte er immer noch hin und her. Der weiße Zellstoff quoll ihm aus den Ohren. »Charlie spricht mit mir«, bemerkte er zu Mercer. »Ich hab’s Ihnen doch schon gesagt. Das ist der Mann, der mir sagt, was ich tun soll. Ich hab’ keine Schuld, weil ich nur tue, was Charlie mir sagt.«
    »Sag ihr, wer Charlie ist, Pops.«
    »Er ist mein Bruder, Lady. Ist am selben Tag wie ich geboren, ist aber nie aus dem Krankenhaus rausgekommen. Er musste die ganze Zeit dort bleiben, aber er spricht mit Mama und mir. Jeden Tag. Er sagt mir, was ich tun soll.«
    Ich warf Mercer einen Hilfe suchenden Blick zu. Den Kopf in die Hände gestützt, überlegte ich, wie es weitergehen sollte.
    Stellte sich Pops nur dumm? Oder verschwendete ich tatsächlich meine Zeit mit jemandem, der wegen Unzurechnungsfähigkeit niemals vor Gericht gestellt werden würde?
    »Was hat Charlie Ihnen denn genau gesagt? Was sollten Sie mit der Ärztin tun? Charlie hat mir aufgetragen, Sie danach zu fragen.«
    Bei der Erwähnung von Charlies Namen huschte ein Lächeln über Pops’ Gesicht. »Ja, aber jetzt kann ich ihn nicht hören. Ich kann Ihnen nur sagen, dass es mir leid tut, dass sich die Frau Doktor heute nicht gut fühlt.«
    In den nächsten zwanzig Minuten redeten wir alle drei ziemlich wirres Zeug. Mercer und ich versuchten, auf Pops’ unzusammenhängende Erzählungen einzugehen, aber irgendwann hatte er keine Lust mehr, legte die Arme auf den Tisch und bettete seinen Kopf darauf.
    Wallace führte mich aus dem Raum. Chapman und Peterson hatten das Ganze durch die Scheibe beobachtet. Ich war enttäuscht und ärgerlich – nichts von dem, was Pops von sich gegeben hatte, war vor Gericht gegen ihn zu verwenden.
    »Das hat alles keinen Sinn.«
    »Tatsache ist, dass es sich nicht lohnt, das hier per Video aufzuzeichnen.«
    Mercer zog sein Sakko aus, krempelte die Ärmel hoch und verkündete, er werde das Gespräch mit Pops so lange weiterführen, bis wir uns entschieden hätten, ihn dem Haftrichter vorzuführen.
    » Ich rufe Battaglia an und frage, wie ich weiter verfahren soll. Außerdem muss ich die Presseabteilung auf den Medienansturm vorbereiten. Gebt mir bitte ‘ne halbe Stunde Zeit.«
    »Sie können das Telefon in meinem Büro benutzen«, bot mir Peterson an. »Ich bin derweil im Einsatzraum. Ach, übrigens, Alexandra – es gibt weitere Neuigkeiten.«
    »Schießen Sie los.«
    »Steve Rubinstein vom Capital Defenders Office hat angerufen. Ihm ist zu Ohren gekommen, dass wir einen Tatverdächtigen haben, und sie wollen ihn vertreten. Sie schicken jemanden rüber, der mit Pops sprechen soll und unsere Vernehmung beendet.«
    »Sag denen, sie sollen Charlie anrufen«, knurrte Chapman.
    1996 hatte man in New York die Todesstrafe wieder eingeführt, und jemandem, der im Zuge einer Vergewaltigung eine Frau umbrachte, drohte nach der Verurteilung die Todesspritze. Battaglia hatte sich gegen das neue Gesetz gestellt; wahrscheinlich befriedigte ihn die Tatsache, dass Pops aufgrund seines Geisteszustandes kein Kandidat für die Todeszelle war.
    Peterson reichte mir einen Zettel mit Rubinsteins Nummer, aber zuerst wollte ich mit Battaglia sprechen.
    Rose war am Apparat und teilte mir mit, ihr Chef sei unterwegs zur Citizens Crime Commission, wo er eine Rede halten sollte. Sie stellte mich zu seinem Autotelefon durch.
    »Gute Arbeit, Alex. Gratulieren Sie auch Peterson von mir.«
    »Ich brauche Ihren Rat, Paul. Im Augenblick haben wir lediglich eine Hand voll Indizien. Keine Aussage von ihm, kein Geständnis. Er redet nur

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