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Notaufnahme

Notaufnahme

Titel: Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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Handtasche. »Tut mir leid, Jordan, aber ich bin von einem Mörder in die Irre geführt worden.«
    Ich überließ ihm die Drinks und die Rechnung. Mein Kopf hämmerte.

14
    An diesem Freitagabend eilte ich kurz vor sieben die Stufen des 17. Reviers hinauf. Die Aufregung, die die Männer morgens noch angetrieben hatte, war verflogen; statt dessen war Enttäuschung spürbar.
    Jerry McCabe telefonierte. Als er mich sah, bedeckte er mit der Hand die Sprechmuschel und rief mir zu: »Hallo Alex, sie sind mit Bailey im Umkleideraum gegenüber. Geh gleich rüber.«
    Ich legte meinen Mantel in Petersons Büro ab und überquerte den Gang. Der Lieutenant und Wallace kehrten mir ihre Rücken zu, ein paar andere Männer lehnten ringsum an der Wand, und Pops saß in der Mitte des Raumes auf einem Tisch; er trug nichts bis auf schmutzige grüne Boxer-Shorts.
    Ein Arzt vom Emergency Medical Service kniete vor Austin und war damit beschäftigt, sein linkes Bein vom Oberschenkel bis zur Fußsohle zu untersuchen.
    »Nicht der geringste Kratzer«, teilte der Arzt dem Lieutenant mit, während er sich erhob.
    Peterson stellte mir Juan Guerra vor, der Austin Bailey soeben von Kopf bis Fuß in Augenschein genommen hatte. Bailey blieb mit gesenktem Kopf reglos sitzen, sein Kinn ruhte auf der nackten Brust, und er murmelte unter den Blicken der Polizisten, die ihn anglotzten wie ein Tier im Zoo, unverständliches Zeug vor sich hin.
    »Mercer, hast du einen Abzug von dem Polariod, auf dem Pops’ blutverschmierte Hose zu sehen ist?« fragte ich.
    Während Wallace einen Packen Fotos aus seiner Jackentasche zog, grinste Bailey mich an. »Ich hab’ Ihnen doch gesagt, dass es nur Farbe ist, Lady.«
    Ich reichte Guerra das entsprechende Foto, deutete auf die deutliche Verfärbung des linken Hosenbeins und erklärte ihm, dass außerdem sowohl Pops’ rechtes Hosenbein als auch seine Schuhe voller Blut gewesen seien.
    Nachdem Guerra das Foto eingehend betrachtet hatte, nickte er langsam und sagte ein einziges Wort. »Krampfadern.«
    Ein vielstimmiges, entgeistertes »Waaas?« erfüllte den Raum.
    »Ich war angesichts dieses Blutbades schon so weit, den Kerl eigenhändig auf den elektrischen Stuhl setzen zu wollen, und Sie erzählen uns, dass Krampfadern die Ursache sind?« fragte Wallace fassungslos.
    » Ja, allerdings. Solche Krampfadern sieht man relativ oft, besonders bei Obdachlosen, die nicht regelmäßig ärztlich versorgt werden.« Guerra kniete sich erneut vor Bailey und bat ihn mit ruhiger Stimme, beide Beine auszustrecken. Der Arzt griff nach Austins Füßen und fuhr mit seinen Händen über die Innenseiten der Knöchel. »Er leidet eindeutig unter Krampfadern. Und wenn die aufplatzen, tritt so viel Blut aus, dass er daran theoretisch verbluten könnte.«
    Während wir über ihn sprachen, schaute Pops teilnahmslos in die Runde und kratzte seinen nackten Bauch.
    Ich ging neben dem Arzt in die Hocke und ließ mir die Stellen an Baileys Knöcheln zeigen.
    »Meine Großmutter hatte Krampfadern«, bemerkte Peterson.
    »Dann sollten Sie aufpassen«, erwiderte der Arzt, »die Dinger sind nämlich erblich. Und das hier«, Guerra deutete auf zahlreiche kleine Punkte an Baileys Armen und Oberschenkeln, »könnten Überbleibsel einer Drogenabhängigkeit oder …«
    Wallace deutete auf die alten Nadeleinstiche. » Verdammt, das sind ja mehr Stiche, als ein ganzer Hornissenschwarm zustande brächte.«
    »Aber keine frischen, nur alte. Kein Kratzer, keine Narbe, keine Verletzung«, fasste ich zusammen.
    Guerra ergriff wieder das Wort. »Miss Cooper, ob Sie’s glauben oder nicht, ich habe schon Krampfadern gesehen, die gesprudelt haben wie Ölquellen. In der letzten Woche hatte ich einen Notruf in der sechsunddreißigsten Straße – ein alter Mann, aus dessen Schuhen das Blut quoll. Ich legte den Finger auf seine Vene – hier, es war diese, direkt neben dem Knöchel –, übte eine Minute lang Druck aus, und die Sache war behoben. Eine halbe Stunde später habe ich mir den Fuß noch einmal angeschaut, und es war nichts mehr zu sehen. Das Blut tritt lediglich an einer winzigen Stelle aus – entweder man stillt die Blutung umgehend, oder der Patient verblutet möglicherweise.«
    »Und warum hat er uns nicht gesagt, dass es sein eigenes Blut war?« fragte Mercer in den Raum gerichtet.
    Als ich mich erhob, griff Pops nach meiner Hand. »Hab’ Ihnen doch gesagt, dass es ein Farbeimer war. Hab’ Ihnen doch gesagt, dass mir das mit der Lady leid

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