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Notbremse

Notbremse

Titel: Notbremse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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entfernen – die Arme um die Hüfte des jeweils anderen gelegt. Horschak hatte keinen Zweifel, wer das war: der rundliche Berliner und Ulrike. Für die beiden begann offenbar die Nacht erst – und für ihn würde der Abend vermutlich vollends im Alkohol untergehen. Sollte sie doch der Teufel holen. Beide zusammen.
     
    Der Ulmer Kripochef lauschte angestrengt auf das, was ihm ein Kollege der Bundespolizei am Telefon berichtete. Demnach hatte sich ein Zeuge gemeldet – der Besitzer eines Ladens in der Bahnhofshalle –, dem bereits vor rund sieben Stunden etwas verdächtig erschienen war. »Ein Mann, den er allerdings nicht genau beschreiben kann«, fuhr der Anrufer von einem Handy aus fort. »Er war zuerst bei ihm im Laden und hat eine ›Süddeutsche Zeitung‹ gekauft – und dann hat er sich schräg gegenüber an die Mauernische gelehnt und gelesen. Ein paar Minuten später, als der Ladenbesitzer wieder rübergeschaut hat, war der Mann weg, der Koffer aber da. Bis jetzt hat er gedacht, er hätt’ den Koffer einfach vergessen.«
    »Und er kann über den Mann gar nichts sagen?«
    »Nichts. Nur so viel, dass es höchstwahrscheinlich ein Deutscher war. Bei der Menge von Leuten, die der Mann täglich sieht, kann man ihm auch keine Vorwürfe machen.«
    »Wieso hat er sich eigentlich nicht früher gemeldet?«, knurrte der Kripochef unzufrieden. »Wenn einer am Bahnhof schafft, müsste er doch wissen, dass herrenlose Gepäckstücke immer verdächtig sind.«
    Der Anrufer wusste keine Antwort.
    »Wie sieht’s eigentlich aus?«, wollte der Kripochef nach kurzer Pause wissen. »Sind alle raus?«
    »Im Moment sind alle evakuiert, ja. Und der Zugverkehr ist eingestellt.«
    »Dann passen Sie bloß auf, dass Ihnen nichts um die Ohren fliegt«, gab der Kripochef flapsig zurück. Sein Gesprächspartner wollte etwas antworten, doch hielt ihn eine Stimme im Hintergrund davon ab. »Schauen Sie da«, hörte der Kriminalist aufgeregt jemanden sagen, der vermutlich näher gekommen war.
    »Moment«, gab der Anrufer kurz durch und ging offenbar irgendwohin. In der Ferne waren Martinshörner von Einsatzfahrzeugen zu hören.
    Der Direktionsleiter und der weitere Kriminalist, die beide das Gespräch verfolgt hatten, richteten ihre Blicke auf den Kripochef, der erkannte, dass er ihnen eine Erklärung schuldig war. »Der Kollege hat grade irgendetwas erfahren«, sagte er und lauschte in den Hörer. Nach endlosen zehn Sekunden meldete sich der andere wieder: »Da läuft was aus. Da ist was rausgesickert.«
    »Wo … was?«, fragte der Kripochef genervt zurück.
    »Aus dem Koffer … da sickert was raus.«

28
    Hocke hatte die restliche Nacht über kein Auge zugetan. Mehrfach war er zur Tür gegangen, um sich davon zu überzeugen, dass sie auch fest verriegelt war. Er ließ das Licht brennen und den Fernseher laufen. Sobald ihn die Müdigkeit übermannte und Traum, Realität und Ängste ineinander verschwammen, schreckte ihn das kleinste Geräusch, das der Kühlschrank in der Minibar von sich gab, sofort wieder hoch. Erleichtert stellte er fest, dass der Morgen schon bald graute. Doch er ließ die Vorhänge geschlossen, weil er von den gegenüberliegenden Hochhäusern eine gute Zielscheibe abgegeben hätte. Noch musste er zwei Tage durchstehen. Den ganzen Freitag und den Samstag. In diesen rund 42 Stunden bis zu seinem Abflug konnte noch viel geschehen. Verdammt viel.
    Er hatte sein Handy wieder aufgeladen, doch erschien es ihm weiterhin ratsam, keine Telefonate zu führen. Um zu vermeiden, dass sein Standort geortet werden konnte, schaltete er es ab. Er wollte in diesem Land keine Spuren mehr hinterlassen. Nachdem er heiß geduscht und sich frisch gekleidet hatte, verließ er das Zimmer, blickte prüfend in beide Richtungen des langen Flurs und ließ die Tür einrasten. Dann fuhr er mit dem Lift ins Erdgeschoss und nahm in dem dunklen Frühstücksraum an einem Zweiertischchen Platz. Vor und hinter ihm hingen Breitbildmonitore von der Decke. Zu seiner Verwunderung lief auf dem Bildschirm kein chinesischer, sondern ein amerikanischer Fernsehsender, der über die neueste Entwicklung an den internationalen Börsen berichtete.
    »Coffee or tea, Sir?« Die Stimme eines Kellners holte ihn in die Realität zurück. »Coffee, please«, erwiderte Hocke und lächelte verlegen. Der Kellner goss ein und musterte ihn von unten bis oben, was dem Deutschen äußerst unangenehm war.
    Als sich der Mann wieder entfernte, drehte Hocke seinen Kopf unauffällig

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