Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Notizen einer Verlorenen

Notizen einer Verlorenen

Titel: Notizen einer Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Vullriede
Vom Netzwerk:
grundsätzliche Frage beiseite, so wie er.
    »Es war kein gutes Verhältnis zwischen Marc und Jens. Aber sie waren eben auch sehr verschieden. Marc war immer ein Lebemann, ein wenig arrogant, erfolgreich und gerne ständig im Mittelpunkt. Er hat Jens ein paar Mal vor gemeinsamen Freunden lächerlich gemacht, ja. Trotzdem war es nicht nötig, Marc diese Schuld aufzubürden. Das eigentliche Problem lag doch in Jens' Kopf.«
    »So? In seinem Kopf?«
    »Dann eben in seinem Herzen.«
    Nun legte Alex seine Hand auf mein Herz. »Jens ist diesen Tod gerne gestorben und Marc hat, seitdem er bei uns ist, auch ein Ventil für seine Gewissensbisse. Und du – du wirst auch noch deinen Weg finden.«
    Ich drückte seine Hand von mir weg. Anscheinend sah er weder etwas Verwerfliches noch etwas Entsetzliches darin, dass sie Marc im Verein noch tiefer in seine Selbstmordgedanken trieben.
    »Wenn du den Sinn unserer Gemeinschaft wirklich verstanden hast«, sagte er, »dann weißt du, dass es einen Ausweg aus dem ewigen Kreislauf deiner Gedanken gibt – aus deinem Kopfsamsara. So wie Jens, werden doch auch Marc und du einen wundervollen selbst gewählten Abschied von diesem kümmerlichen Leben nehmen und damit seid ihr doch völlig rehabilitiert.«
    Alex' beiläufig gemachte Bemerkung über mein so kümmerliches Leben schockierte mich. Einen wundervollen selbst gewählten Abschied wünschte er mir und der sollte mich von aller Schuld befreien? Gänsehaut überzog mich.
    Auf einmal bemerkte ich Buchheim hinter uns. Ich hatte keine Ahnung, wie lange er uns schon belauscht hatte, doch ich war mir sicher, dass er gerade diese letzten Sätze von Alex in Bezug auf mein Verständnis über den Sinn dieser Gemeinschaft mitbekommen hatte. Buchheim sah mich überheblich an, als wollte er gleich etwas Dementsprechendes sagen, dann streifte er mich wortlos im Vorübergehen. Etwas heftiger und es wäre ein Rempler gewesen. Selbst Alex sah ihm verwundert nach.
    »Er mag dich nicht besonders«, stellte er fest.
    »Ja – ich vermute, er traut mir nicht.«
    »Warum sollte er nicht?«
    »Ich fürchte, Buchheim glaubt nicht, dass ich ernsthafte Absichten habe.«
    Verständnislos schüttelte Alex den Kopf. »Das ist doch Unsinn. Ich werde mit ihm reden.«
    »Lass das lieber. Er wird sich schon beruhigen.«
    »Ja – spätestens, wenn du ihm deinen Plan vorlegst. Hast du inzwischen schon eine genauere Vorstellung?«
    Marc gesellte sich zu uns, was mir nicht passte. Er kannte mich schließlich schon lange und für dumm hielt ich ihn keinesfalls. Ich war sicher, er ahnte, dass ich – im Gegensatz zu früheren Zeiten – keine ernsthaften Selbstmordabsichten hegte. Meine schauspielerischen Fähigkeiten, was meine Tötungsabsichten anging, konnte er sicher leicht durchschauen und wie vermutet, bohrte er sofort nach.
    »Ach, du hast schon etwas geplant?«
    »Das wirst du wohl mir überlassen«, giftete ich ihn an.
    Doch Marc ließ sich nicht so leicht abwimmeln.
    »Also, wenn du noch nichts Besonderes vorhast, könntest du doch bei mir mitmachen.«
    Ich glaubte, nicht richtig zu hören. Worauf wollte er hinaus? Alex wurde neugierig. »Was meinst du? Erzähl doch mal!«
    »Ich stelle mir das so vor …« Marc zog uns mit in eine Sitzecke und räumte den Tisch frei. Um seine Idee zu veranschaulichen, baute er verschiedene Gegenstände als Platzhalter für von ihm definierte Autos, Menschen, Häuser und, nicht zu vergessen, eine Mauer auf. Eine Tischdecke mit einem Aschenbecher darauf und zwei Tassen sollten das verlassene Industriegelände verkörpern. Ausschmückend beschrieb er seine Vorstellung von dem großen Crash mit seinem Auto und verstand es dabei, Alex zu begeistern.
    »Ist das nicht eine großartige Idee?«, rief Alex und die beiden, wie auch Kevin und zwei weitere Vereinsmitglieder, die hinzugetreten waren, um zuzuhören, gafften mich auf einmal erwartungsvoll an.
    »Wie bitte?«, fragte ich, obwohl ich durchaus verstanden hatte. Ich wollte es nur nicht wahrhaben, dass sie mich plötzlich in ihre mörderischen Pläne einbanden.
    Alex aber hatte seine Freude daran. »Du setzt dich mit Marc in das Cabrio – in dasselbe, mit dem Jens überfahren wurde, und ihr fahrt zusammen gegen die Mauer. Das ist tatsächlich eine in sich geschlossene Geschichte. Findest du das nicht auch großartig?«
    »Nein!«
    »Nein?« Ungläubig schüttelte Alex den Kopf. »Wieso nicht?« Seine geradezu spürbare Enttäuschung schien auf die anderen überzuspringen und

Weitere Kostenlose Bücher