Nottingham Castle, letzte Tuer links
baumelst.”
Sie
stimmte ein hysterisches Gelächter an, voll Vorfreude auf das anstehende
Ereignis.
Susannah
lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Sie schaffte es kaum aufzustehen,
aber letztendlich gelang es ihr dann doch, den Mauervorsprung zu erklimmen und aus
dem Fenster zu sehen.
Die
ersten Schaulustigen kamen tatsächlich schon durch das Burgtor gewandert. Ein
Wagen schaukelte langsam heran, gezogen von einem widerwillig dahintrottenden
Esel. Darauf saß eine alte Frau in bunten Gewändern.
„Das
ist die alte Lilibeth”, entfuhr es Susannah. Sie kannte die rührige Frau aus
dem Nachbardorf, die sich mit ihren Näharbeiten Geld verdiente.
„Jaja”,
erwiderte Lady Nottingham, „die ist immer da und bietet ihre Tücher und
seltsamen Kleider feil. Da kommen sicher noch mehr Händler aus den Dörfern. Die
nutzen ein derartiges Spektakel natürlich als Markttag für ihre Waren. Du
siehst, ich habe recht, die einfache Bevölkerung liebt Hinrichtungen.”
Susannah
konnte nicht glauben, was sie da hörte. Sie selbst hatte so einem makabren
Schauspiel noch nie beigewohnt. Aber offenbar hatten alle anderen Menschen Freude
an solchen Belustigungen.
Lilibeth
trieb den widerspenstigen Esel mit Peitschenhieben an. Ihr Wagen war mit einer
Plane abgedeckt, aber sie würde diese sicher bald abziehen, um ihre Waren zum
Kauf anzubieten.
„Kommen
die Leute bereits jetzt?”, fragte die Lady. „Das ist aber äußerst frühzeitig. Hat
denn der Scharfrichter schon die Richtstätte geprüft? Den Geräuschen nach ist
der Galgen doch gerade erst fertig geworden.”
Ohne
zu antworten, blickte Susannah weiter nach draußen. Mehrere Gruppen von Frauen
betraten den Burghof. Die Soldaten kümmerten sich nicht weiter um diese,
sondern verrichteten ihre eigene Arbeit. Susannah kniff die Augen zusammen, um
die Neuankömmlinge genauer ansehen zu können. Einige davon kannte sie, aber in
der Mitte, etwas versteckt zwischen den anderen, sah sie Gestalten, die ihr
nicht bekannt waren. Großgewachsene Frauen mit gebücktem Gang, die ihre Kapuzen
weit ins Gesicht gezogen hatten und die Susannah noch nie hier in der Gegend
gesehen hatte.
Auch
Männer fanden sich nun ein, diese wurden von den Wachen genau auf Waffen untersucht.
Susannah kaute auf der Unterlippe, während sie die Vorgänge am Tor des Castles beobachtete.
Sie wartete verzweifelt darauf, dass einer der Männer ein Schwert hervorzog
oder zumindest ein Messer, die Wachen niederstach und zusammen mit anderen Tapferen
Robins Rettung in Angriff nahm.
Doch
nichts passierte.
„Was
ist denn jetzt, was siehst du dort oben?”, fragte die Alte. Ihre Stimme war vor
Aufregung hell wie ein Silberglöckchen. Sie rumpelte unruhig mit ihrem
rollenden Stuhl hin und her.
„Noch
ein paar Wagen durchfahren das Tor”, berichtete Susannah widerwillig. „Und es
sieht aus, als gäbe es sogar warmes Essen.”
„Hah”,
rief die Lady begeistert, „es wird ein richtiges Fest!”
Susannahs
Freude darüber hielt sich in Grenzen, denn sie selbst würde eine der
Hauptattraktionen sein. Nicht nachdenken , befahl sie sich selbst. Denn
der Gedanke war immer noch so abwegig für sie, dass sie es nicht glauben konnte.
Es
musste einfach eine Rettung geben! Vielleicht kam Eadric im letzten Moment noch
in den Kerker, reumütig, und schloss sie in die Arme.
Doch
sie wusste, das war reine Augenauswischerei. Ihr Kopf dachte sich solche
Phantasiegespinste aus, weil er die Realität nicht wahrhaben wollte. Sie würde
hängen.
Außer…
Außer
wenn da draußen doch noch irgendetwas geschah! Susannah krallte sich mit den
Fingern an den rauen Steinen fest und starrte weiterhin gebannt auf die Ereignisse
im Burghof.
Der
große Wagen, der nun hereinholperte, hatte tatsächlich einen riesigen
Suppentopf geladen. Und unter diesem brannte ein munteres Feuer in einer
Eisenschale vor sich hin.
Sie
konnte es nicht fassen. Die fuhren sogar eine Herdstelle hier herein? Mit
warmem Eintopf, damit die hungrigen Zuschauer sich die Bäuche vollschlagen
durften, nachdem der Henker Robin erst aufhing und dann seinen Kopf vom Rumpf trennte?
Waren
das wirklich die Menschen, mit denen sie ihr ganzes Leben schon zusammengewohnt
und um die sie sich gekümmert hatte, Tag und Nacht, wann immer sie gebraucht worden
war?
Und
die bereitwillig die zahlreichen Gaben von Robin Hood angenommen hatten,
demselben Robin, aus dessen Hinrichtung sie nun ein rauschendes Fest machen
wollten?
Hatte
die Alte, die dort unten
Weitere Kostenlose Bücher