Nottingham Castle, letzte Tuer links
für echt gehalten hatte. Fort nun. Alles hinweggefegt.
Und
sogar die Erinnerungen hatte sie ihm genommen.
Hätte
sie ihm nicht die zumindest lassen können? Diese Illusion, dass jemand etwas für
ihn empfinden könnte, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit, und er diese
Nächte wie ein Schatzkästchen hätte hüten dürfen für sein restliches Leben? Hin
und wieder eine Schublade aufziehen und sich dankbar an eine mit ihr verbrachte
Stunde erinnern? Aber nein, auch dies hatte sie zunichte gemacht.
„Nichts
war echt.” Drei Worte hatten genügt,
um all dies zu pulverisieren. Lächerlich zu machen. In den Dreck zu ziehen.
Ein
faustdicker Knoten stieg in Eadrics Hals hoch. Er versuchte zu schlucken, doch
es half nicht. Noch einmal drückte er das Messer gegen seine Haut, aber er
wusste genau wie seine Mutter, dass er im Grunde seines Herzens eine Memme war.
Laut
seufzend steckte er das Messer wieder ein. Stand auf. Legte sich den breiten,
mit Edelsteinen besetzten Gürtel um, der ihm mit einem Mal völlig unpassend und
aufgesetzt erschien.
Da
er zu sonst nichts taugte, würde er sich eben seinem Schicksal stellen. Am Hofe
gab es sicher jede Menge Feiglinge, da fiel einer mehr nicht ins Gewicht.
Aber
zuerst würde er endlich nachsehen, was es mit diesem Hämmern auf sich hatte,
welches ihm schon seit den frühen Morgenstunden auf die Nerven ging.
Als
er aufs Fenster zuging, passierte er das Kästchen, auf dem noch einige
Schmuckstücke für Marian lagen. Die Diener hatten diese offenbar übersehen.
Marian. Sein Eheweib. Dieser Ausdruck klang mehr als fremd in seinen Ohren. Er
hatte nicht die geringste Gefühlsregung, wenn er an sie dachte. Und doch würde
er sich in wenigen Tagen mit ihr vermählen. Eine Hochzeitsnacht mit ihr
verbringen und, sofern ihm das Glück zumindest in dieser Hinsicht hold war,
zahlreiche Nachkommen zeugen.
Aber
eine Nacht wie die mit Susannah würde ihm keine Frau der Welt mehr schenken,
das fühlte jede einzelne Faser seines Leibes.
*
„Hure!”,
spie Lady Nottingham ihr entgegen. „Ich teile doch diese Zelle nicht mit einer
dreckigen Hure!”
Die
Wachen hatten die Tür jedoch schon von außen versperrt und kümmerten sich
offenbar nicht weiter um das Geschrei in den Kerkerabteilen. Susannah drückte
sich an die feuchte Wand. In den Ritzen der riesigen Steinquader wucherte Moos,
der Boden war mit Unrat übersät, es stank entsetzlich.
„Hat
er endlich eingesehen, was du für eine bist?”, fauchte die Alte schon wieder
los. Susannah erschrak, als sie die Lady näher betrachtete. Sie sah fast schon
gespenstisch aus. Das weiße Haar stand wirr von ihrem Kopf ab, die Augen
bewegten sich unstet hin und her, sie war so blass, dass sie fast leuchtete,
hier im dämmrigen Verlies.
Sie
beschloss, am besten gar nicht zu antworten und auf ausreichend Abstand zu
achten, sofern das in diesem beengten Raum überhaupt möglich war.
In
ihrem Kopf herrschte ein wirres Durcheinander.
Was
er wohl mit ihr selbst vorhatte? Würde er sie hinrichten lassen, so wie Robin?
Noch am heutigen Tag?
Susannah
schlang die Arme um ihren Oberkörper, sie zitterte.
„Der
Galgen steht schon”, zischte die Verrückte, die offenbar ihre Gedanken lesen
konnte, „und du kommst auch dran, dafür sorge ich.”
Sie
brach in ein hysterisches Gelächter aus und zeigt mit dem Finger auf Susannah.
„Hängen
wirst du, gleich nach Locksley, und dann ist Eadric endlich frei von dir und
deinen Hexenbeschwörungen.”
Susannahs
Mund war vollkommen ausgetrocknet. Hatte die Alte wirklich recht?
Die
gab immer noch keine Ruhe, war allem Anschein nach froh, endlich ein Opfer
gefunden zu haben, an dem sie ihre Bösartigkeit auslassen konnte.
„Hast
du sie schon bewundert, die Richtstätte? Dort oben ist ein Fenster, du musst
nur auf den vorstehenden Stein klettern, dann kannst du sie sehen.”
In
der Tat! An der seitlichen Wand war ganz oben ein kleines, vergittertes Fenster
angebracht, durch das trübes Licht in das Verlies fiel. Susannah gehorchte der
irren Lady nur ungern, aber sie wollte unbedingt wissen, was dort draußen vor
sich ging.
Vorsichtig
setzte sie einen Fuß auf den kleinen Wandvorsprung und zog sich nach oben, um
hinaus blicken zu können. Sie konnte direkt in den Burghof sehen, wo die
Hinrichtungsstätte wie eine Bühne aufgebaut war. Soldaten liefen herum, weiter
hinten standen ein paar Wägen, jemand führte ein Pferd vorbei.
„Bald
öffnen sich die Tore, dann kommen die Menschen herein,
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