Novembermond
süchtig und nachtragend sein. „Aber egal worum es geht, er hätte es mir e r klären können. Oder es wenigstens versuchen.“
„Das ist wirklich sehr seltsam“, gab Franziska zu. „Es hat sich einfach so gut angehört. Und ich habe es dir so sehr gewünscht“, fügte sie aufrichtig hinzu.
„Ich lerne eben immer noch dazu. Eine wirklich erstaunliche Art, Schluss zu machen. Und die, die er g e wählt hat.“
*
Der Plan war sorgfältig abgestimmt , und Mitternacht längst vo r bei, als sie sich dem Seite n eingang des Instituts für Pathologie näherten.
„Du solltest als Erster hineingehen“, meinte Andrej.
„Ich? Warum ?“, fragte Armando verdutzt. „Sam sieht doch wesentlich seriöser aus als ich. Und Julian sowieso.“
„Stimmt“, bestätigte Sam. Er trug sch war ze Cargohosen und einen sch war zen Rollkragenpullover, passend zu seiner sch war zen Brille. „Andererseits käme ni e mand auf die Idee, auf dich zu schießen.“
„Oh, ich könnte dir Beispiele nennen …“
„Haltet endlich die Klappe“, unterbrach ihn Andrej grimmig. „Wir sind gleich da.“
Sie gingen um die Ecke und betrachteten den Eingang aus dem Sc hatte n der Nacht. Ein junger Mann in einem weißen Kittel stand vor der Tür des grauen Gebäudes und rauchte.
„Wir gehen rein, erledigen unseren Job und kommen wieder raus. Das ist alles, oder?“ Armando sah Andrej fragend an.
Andrej nickte, und er setzte sich in Bewegung.
Der junge Mann sah neugierig auf und zeigte keine Anzeichen von Furcht, als Armando lächelnd auf ihn zukam. Armandos dunkler Pferdeschwanz schaute unter einem Basecap hervor und wippte mit jedem seiner Schritte. „Entschuld i gen Sie“, fing er an und den Blick des Mannes ein.
Kurz darauf kam der Mann allein aus dem Gebäude und trat auf sie zu. „Andrej darf jetzt reingehen“, sagte er mit leerem Blick. Er drehte sich um und ging wi e der zurück.
„Dieser kleine Angeber“, meinte Andrej grimmig.
Julian konnte ein kurzes Lächeln nicht verhindern. Von den Patrouillen abg e sehen hatte er lange nicht mehr in einer Gruppe gearbeitet. Wäre der Anlass ein anderer gewesen, hätte ihm dieser Ausflug Spaß gemacht.
Sie gingen durch den Eingang und betraten den langen, weiß gestrichenen Flur. An der ersten Ecke war tete Armando mit verschränkten Armen. „Keine Kam e ras“, berichtete er und zeigte auf eine schmale Tür. „Hier ist die Tür, durch die wir verschwinden können, falls uner war teter Besuch kommt. Da geht es zur f o rensische n Abteilung.“ Er wandte sich an einen schmalschulte rigen , schlanken Mann mit dunkler Hornbrille, der neben ihm stand. „Und das ist Klaus . Klaus hat hier das Kommando, und ich habe mich bereits mit ihm un te r halten.“ Er wandte sich um. „ Klaus , wir möchten die Frauen mit den Halsverletzungen s e hen.“
Klaus nickte und ging zielstrebig durch eine der grauen Metalltüren. Sie folgten ihm in einen großen Raum mit sauber glänzenden Wandkacheln. Es war kühl, und der Geruch nach Tod und For m aldehyd stark, noch stärker als der nach Blut. Auf einem der großen Tische aus Metall, der mit seinen Abläufen au s sah wie ein riesiges, rechteckiges Waschbecken, lag eine nackte Männerleiche mit aufgeschni t tenem Brustkorb. Sie folgten Klaus weiter in einen Nebenraum, wo er einen der Griffe erfasste, die aus der Wand ragten, und eine riesige Schublade aufzog. Je n ny.
Klaus öffnete eine weitere. Hier lag eine Frau mit hellbraunem Haar. Magda.
Julian trat zu ihr und betrachtete sie. Gründlich. Von ihrem Gesicht bis zu den aufgeschürften Knien. Dass der Ausdruck von Schmerz und Leid im Tod verl o ren geht, ist nicht wahr. Langsam hob er seine rechte Hand und fuhr mit einem Abstand von wenigen Zentimetern über Magdas Gesicht und ihren Hals.
In seinem langen Leben hatte er schon unzählige Leichen gesehen, aber er würde sich wohl nie daran gewöhnen .
Er sah Klaus an. „Welche Todesursache?“, fragte er ruhig.
„Ein Schlag auf den Kehlkopf, der die Luftröhre blockiert hat. Aber erst ganz zum Schluss“, fügte Klaus emotionslos hinzu. „Interessanterweise gibt es keinen Hinweis auf weitere Gewaltanwendungen, keine Fesselung, keine Würgemale, unter ihren Fingernägel n keine Hautpartikel oder andere Anhalt s punkte, dass sie sich gewehrt hat. Im Blut fanden sich keine Rückstände von Betäubungsmi t teln.“
Julian nickte. „Und die Halsverletzungen?“
„Interessant. Stiche. Ausgefranste Wundränder. Speichelreste.
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