Novemberrot
Nachdem sie ihre brisante Fracht auf dem neben der Scheune liegenden Misthaufen abgeladen und die Karren zur Seite gestellt hatten, stiefelten sie dem Polizisten entgegen. Der stellte sich nun sicherheitshalber noch einmal vor und erklärte den Grund seines Besuchs .
» Ich bin hier der Bauer, mir gehört der Hof. Und das hier ist Justus, der hilft mir immer.« Bermel übernahm kurzerhand die Vorstellungsrunde der beiden Dörfler und ließ sie dann auf ausdrücklichen Wunsch des Kommissars hin alleine. Vor Weller stand nun ein schmächtiges grauhaariges Kerlchen, ein gutes Stück kleiner als er selbst. Der blaue Arbeitsanzug war mindestens eine Nummer zu groß für ihn und der Ärmste verlor sich fast darin. Sowohl die Ärmel, als auch die Hosenbeine hatte er praktischerweise mehrfach umgeschlagen. Unterschiedlicher hätte das äußere Erscheinungsbild der beiden Männer kaum sein können. Getreu nach dem Motto »Typ John F. Kennedy trifft Rübezahl« standen sie vor dem Misthaufen, dessen qualmende Schwaden in die Abenddämmerung emporstiegen und boten somit dem geneigten Betrachter einen wahrhaft skurrilen Anblick.
Das sollte die bedrohliche, angsteinflößende Kreatur von letzter Nacht sein? »Sind Sie Justus? Haben wir uns gestern Abend auf dem Parkplatz gesehen?« Fritz schüttelte ungläubig seinen Kopf. Dieser Wicht hatte nun überhaupt nichts mit der Horrorgestalt gemein, die gestern auf dem dunklen Parkplatz ihr Unwesen trieb. Justus, der seinen Blick zunächst schüchtern zu Boden gerichtet hatte, nickte kurz, ohne den Polizisten anzusehen .
» Wen oder was haben Sie mit dem Feuervogel gemeint?«, hakte der Kommissar nach. So als habe dieser die entscheidenden Zauberworte gefunden, verlor der kleine Mann urplötzlich seine Scheu und trat dicht an Weller heran. Mit einem Mal funkelten dessen Augen und von wirrem Lächeln begleitet flüsterte er: »Ja ja der Feuervogel kam zurück, ich hab ihn genau gesehen!« Justus fixierte den Polizisten erwartungsvoll, so als erhoffte er, eine Bestätigung seiner Aussage von ihm zu erlangen.
Doch zu seinem Leidwesen konnte Fritz damit nicht dienen. Bei allen weiteren Fragen, wie zum Beispiel nach seinem Alibi in der Mordnacht, zuckte Justus nur mit seinen Schultern .
» Entweder hat der wirklich gewaltig einen an der Klatsche, oder er ist ein verdammt guter Schauspieler!« Die wenig ergiebigen Antworten des Verdächtigen trieben den jungen Polizisten fast zur Weißglut, denn auch hier kam er keinen Millimeter weiter in seinen Nachforschungen. Entnervt verabschiedete er sich von Justus und Bermel, der inzwischen wieder auf der Bildfläche erschienen war. Der Landwirt hatte schnell eine Tasse Kaffee getrunken, um nun gestärkt seine Arbeit wieder fortzusetzen .
» So komm Feuervogel, auf geht’s, schnapp dir deine Mistgabel, wir haben schließlich erst Halbzeit«, schallte des Bauers Stimme aus dem Hof, als Weller frustriert in seinen Wagen stieg. Müde vom frühen Aufstehen und den ernüchternden Ergebnissen der heutigen Ermittlungen kehrte er in sein Zimmer zurück. Seine Erwartungshaltung, in der verbleibenden Zeit noch eine brauchbare Spur zu finden, war gen Null gesunken .
» Eigentlich kann ich auch gleich meine Tasche packen und zurück nach Burgstadt fahren«, dachte Fritz niedergeschlagen. Er öffnete die Kammertür. Wider Erwarten war es wohlig warm in dem kleinen Raum. Der Grund dafür war ein auf höchster Stufe brummender Radiator, den Pohlert wohl im Laufe des Tages hineingestellt hatte. Erschöpft zog er Jacke und Schuhe aus, warf sich aufs Bett und schlief sogleich ein.
Kapitel 12
Gegen 19 Uhr wurde er von lärmendem Gegröle, welches unüberhörbar aus der Wirtschaft in sein Zimmer drang, aufgeweckt. Da es inzwischen stockfinster war, tastete er vorsichtig nach dem Lichtschalter der Stehlampe, knipste sie an und setzte sich gähnend auf die Bettkante. Von den Eindrücken des Tages getrieben, wanderte Wellers Blick ziellos im Zimmer umher.
Sollte er tatsächlich die Flinte ins Korn werfen, was für ihn einer Niederlage gleich käme, oder gab es vielleicht doch noch eine erfolgsverheißende, unerwartete Spur, die eine weitere Recherche sinnvoll erscheinen ließ? Der Kommissar kam zu keinem annehmbaren Ergebnis. Immer wenn er sich mit durchaus verständlichen Argumenten für eine Seite vermeintlich entschieden hatte, stiegen umgehend Zweifel an dieser Wahl in ihm auf. Außerdem knurrte unterdessen sein Magen mächtig vor Hunger .
» Gut, vielleicht
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