Novemberrot
überqueren, hangelte sie sich zwischen den Dokumenten durch, setzte sich auf ihren Stuhl und legte sogleich nach: »Du erinnerst dich vielleicht noch an die Läufer, mit denen unser Opfer aneinander geraten war.« Sie ließ bei diesem Satz eine ordentliche Portion Sarkasmus in ihrer Stimme mitschwingen .
» Mit drei von ihnen hatte ich gestern tagsüber ja bereits das Vergnügen. Bei denen war auch alles in Ordnung. Auf meinem Nachhauseweg hatte ich gestern Abend noch dem vierten im Bunde einen Besuch abgestattet. Cornelius Hahn, lustiger Name für einen Gas-, Wasser-, Schei … -Monteur, wohnt mit seiner Familie genaue wie ich in St. Josef. Er war zur Tatzeit mit seiner Frau und einem befreundeten Ehepaar in Burgstadt in der Tanzschule. Ihr Tanzlehrer hatte es mir vor ein paar Minuten bestätigt. Wie die anderen Läufer zuvor, hatte Hahn mir auch berichtet, dass Kreismüller immer seinen Schäferhund frei laufen ließ und sie einige Male von dieser Dreckstöle beinahe gebissen worden wären. Doch dieses Problem sei schließlich seit einer Woche gelöst. Demnach wurde der Köter tot hinter der Gemeindehalle gefunden. Beim Alibi unseres letzten Sportsfreunds wird es nun skurril. Hannes Erlemann ist eigentlich Schreiner beim Küchenbauer Schummrig in St. Josef. Ich rief heute Morgen um zehn vor sieben bei ihm zuhause an und sprach mit seiner Frau. Er hatte sich kurz zuvor in die Firma aufgemacht. Frau Erlemann schimpfte wie ein Rohrspatz über den alten Schummrig und titulierte ihn als Ausbeuter. Schließlich müsse ihr Mann sogar sonntags arbeiten und das nur wegen so einer blöden Küchenausstellung, die Anfang Dezember in Burgstadt stattfindet. Wenn ich mich beeilen würde, könnte ich ihren Mann noch in der Firma antreffen. Er wollte noch schnell Material aufladen und sich dann wieder zur Baustelle begeben. Schummrigs Küchenstudio mitsamt dem Lager ist nicht weit von meiner Wohnung entfernt. So bin ich direkt dorthin und traf Erlemann an, als er gerade in seinen Pritschenwagen einsteigen wollte. Zuerst rückte er nicht mit der Sprache heraus.
Erst als ich ihm sagte, dass er seine Aussage auch gerne im Präsidium machen könne und er durch sein widerspenstiges Auftreten zum Kreis der Verdächtigen zählte, packte er recht kleinlaut aus. Er interessiere sich schon immer für die Malerei. Und weil er seiner Frau zu Weihnachten ein selbst gemaltes Bild schenken möchte, hatte er sich vor vier Monaten in der Volkshochschule zu einem Kurs eingeschrieben, der für gewöhnlich donnerstags von 18 Uhr bis 19:30 Uhr stattfindet. Am letzten Sonntag gab es nun für die Teilnehmer die Möglichkeit, in der Uni an einer Übungseinheit zum Thema Akt-Malerei Teil zunehmen. Diese Session dauerte nach seinen Angaben den gesamten Abend. Er sei so gegen eins wieder zuhause gewesen. Als ich ihn aufforderte, mir einige Namen der anderen Kursteilnehmer und des Leiters zu nennen, damit wir seine Aussage auf deren Wahrheitsgehalt überprüfen können, versuchte er sich zunächst mit Ausflüchten davonzustehlen. Es war ganz offensichtlich, dass der Knabe etwas verheimlichte. Doch nachdem ich nochmals verschärft mit dem Präsidium und U-Haft gedroht hatte, besann er sich eines Besseren und redete.« Auch Steffi besaß Talent dafür, andere auf die Folter zu spannen und legte extra eine kleine Pause ein, die Weller fast zur Weißglut trieb .
» Diese Übungseinheit, wie Maler Erlemann sie treffend nannte, beschränkte sich nur auf ihn selbst und das Akt-Modell. Auch fand die Chose nicht wie ursprünglich behauptet in Räumlichkeiten der Uni statt, sondern in den Privat-Gemächern der jungen Dame. Es folgte natürlich wie erwartet die alte Laier: »Bitte sagen Sie es nicht meiner Frau, es war eine einmalige Sache, blablabla, wie schon tausend Mal gehört!« Steffi kochte innerlich vor Wut, da sie selbst vor zwei Jahren das gleiche Schicksal wie Erlemanns Frau ereilt hatte. Mit dem kleinen aber entscheidenden Unterschied, dass sie ihrem damaligen Lebensgefährten auf die Schliche kam und ihn daraufhin hochkant aus der gemeinsamen Wohnung beförderte .
» Der Fremdmaler gab mir ihre Adresse und Telefon-Nummer. Aber bevor ich bei der guten Dame anrufe, brauche ich erst einen Kaffee. Du doch bestimmt auch?« Steffi war inzwischen aufgestanden und füllte den Kaffeefilter mit Pulver .
» Nee, danke. Mir ist schon schlecht. Es ist genau wie beim Mord am Vater. Es gibt einen Haufen Verdächtiger, viele haben durchaus ein Motiv, aber alle
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