Novemberrot
Hier iss, habe ich dir extra mitgebracht.« Sie reichte ihm ein Marzipanteilchen .
» So fühle ich mich auch«, antwortete er mit belegter Stimme und musste sich fast zwingen, dass er die mitgebrachte Leckerei hinunter bekam. Er schaute aus dem Seitenfenster und erblickte das alte Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite .
» Hier muss damals die Party gewesen sein.« Weller war still. Kein Wort drang aus seinem Mund. Nur die Gedanken an die Geschehnisse von vor 24 Jahren kreisten in seinem Hirn .
» Kennst du das Gebäude?« Steffi starrte ihren Kollegen verwundert an .
» Ja, das ist eine lange Geschichte«, antwortete er wortkarg. Weitere Ausführungen – Fehlanzeige. Steffi verzichtete darauf nachzubohren. Es hätte ohnehin bei Fritz auch keinen Zweck gehabt. Also begaben sie sich anschließend zum Haus des Bürgermeisters. Der kurze gepflasterte Weg führte sie durch den gepflegten Vorgarten hin zur Haustür. Ihre Erwartungshaltungen hätten unterschiedlicher nicht sein können. Während Steffi felsenfest davon überzeugt war, dass Schimmelpfennig dem Kreismüller eins über den Schädel gezogen hatte, ging es Fritz im Grunde genommen zunächst nur um die Bestätigung seines Geistesblitzes, der ihn vor einer guten Stunde ereilt hatte.
Nachdem sie geschellt hatten, dauerte es nicht lange, da wurde die Tür von Frau Schimmelpfennig geöffnet. Sonnenbankgebräunt, in pinkfarbenem Jogging-Anzug und mit blondierten Haaren, stand die Mitfünfzigerin im krassen Gegensatz zu allem, was sich sonst so in ihrer Umgebung tummelte. Wäre Weller besser drauf gewesen, hätte er sich, cool wie er eigentlich war, bei diesem grellen Farbenspiel zum Schutz der Augen seine dunkle Sonnenbrille aufgesetzt. Auf die Frage nach ihrem Gatten schickte die aufgetakelte Dame des Hauses die Polizisten in das kleine Nebengebäude, quer über den Hof .
» Da hat mein Mann sein Bürgerbüro untergebracht. Er hockt schon den ganzen Tag in seinem Kabuff, weil er die nächste Gemeinderatssitzung vorbereiten müsse«, nörgelte sie.
Als Steffi Franck und Fritz Weller den kleinen Raum betraten, saß Schimmelpfennig telefonierend hinter seinem Schreibtisch. Den wenigen Platz an der Wand hinter ihm nahm größtenteils eine hellrote Fahne ein, in deren Mitte das Dorfwappen abgebildet war. Dieses zeigte einen grauen Mühlstein, dessen untere Hälfte von zwei sich kreuzenden Pflasterer-Hämmern eingefasst war. Den oberen Teil hingegen umrandeten zwei goldfarbene Ähren. Es symbolisierte die historischen Haupterwerbszweige, Landwirtschaft und Basaltabbau, der Gemeinde. Rechts daneben gequetscht hingen ein Ehrenteller aus Zinn, der dem Bürgermeister für seine langjährigen Verdienste von der Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde verliehen worden war, und eine Schwarz-Weiß-Luftaufnahme Maybergs im DIN A3-Format aus dem Jahre 1973.
Rasch beendete Schimmelpfennig das Telefonat und kam hinter seinem Tisch hervor, um die Fremden zu begrüßen. Er schien ein wahrer Sitzriese zu sein, denn die von Weller geschätzten 1,80 Meter Körperlänge reduzierten sich binnen Sekunden um mindestens einen Kopf. In seiner in Grautönen gehaltenen Tracht war der Gute das glasklare Pendant zu seiner farbenfrohen Gemahlin.
Dadurch und aufgrund der Tatsache, dass sein rötliches Haupt nur noch von wenigen grauen, fettigen Haarsträhnen umspielt wurde, wirkte der untersetze Mann auch deutlich älter als Madam .
» Was für ein jämmerlicher Wicht«, dachte Kommissarin Franck leicht angewidert von dessen Anblick bei sich. Erstaunlicherweise schien der Gnom, nachdem sich die Beamten vorgestellt hatten, nur wenig überrascht über deren Erscheinen bei ihm sein .
» Wie gut kannten Sie Manfred Kreismüller und, wenn wir schon mal dabei sind, auch einen gewissen Heinzi?« Kommissarin Franck kam ohne große Umschweife direkt auf ihr Anliegen zu sprechen .
» Ich habe damit gerechnet, dass die Polizei zu mir kommen wird, nach dem Mord an ihm. Aber ich war’s nicht, so viel steht fest. Meine Familie kanns bezeugen, denn mein Schwager feierte seinen 50. Geburtstag und der wohnt in Burgstadt«, haspelte Schimmelpfennig aufgeregt.
Er schwitzte mindestens genauso sehr wie Weller, doch nicht weil er wie der Kommissar erkältet war. War es vielleicht sein schlechtes Gewissen, das ihm arg zu schaffen machte? Die beiden Polizisten, allen voran Steffi Franck, waren sehr gespannt, wie sich die Sache nun weiter entwickeln würde. Weller hielt sich mit Fragen bisher noch
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