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Novemberschnee

Novemberschnee

Titel: Novemberschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Banscherus
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bist umgekippt«, sagte der Mann. »War wohl alles ein bisschen viel für dich.«
    »Wo fahren wir denn hin?«
    »Ins Krankenhaus.«
    »Nicht ins Gefängnis?«
    Er lachte. »Wo denkst du hin! Nach einem Kreislaufkollaps gehört man ins Krankenhaus.«
    »Können Sie meine Eltern benachrichtigen?«, bat ich.
    »Keine Sorge, das wird der Kommissar veranlassen«, sagte der Sanitäter.
    Ich schloss die Augen. Vielleicht konnten mich meine Eltern ja im Krankenhaus besuchen. Ich musste ihnen unbedingt erzählen, was passiert war. Sie durften es nicht aus der Zeitung erfahren. Sie durften nicht für einen Moment glauben, dass ich eine Räuberin und Mörderin war.

14.
    Was auf meine Verhaftung in der Alten Mühle folgte, wissen Sie. Als mein Verteidiger haben Sie die Protokolle der Vernehmungen gelesen. Ich war heilfroh, als die Leute von der Kripo mich endlich mit ihren Fragen in Ruhe ließen. Manchmal wusste ich selbst nicht mehr, ob das, was ich ihnen erzählte, wirklich passiert war. Oft war ich kurz davor, das zu glauben, was die Polizisten mir immer wieder einzureden versuchten. Dass es ein echter Bankraub gewesen war. Dass ich Tom und Jurij eiskalt erschossen hatte, um in den Besitz der gesamten Beute zu kommen. Dass ich es nicht fertig gebracht hatte, Tom mit einem zweiten Schuss den Rest zu geben. Dass sich schließlich mein Gewissen gemeldet und ich den Arzt geholt hatte. Am Ende solcher Vernehmungen war ich so müde, dass ich am liebsten alles zugegeben hätte, nur um in meine Zelle zurückzukönnen und zu schlafen.
    Die U-Haft ist ein merkwürdiger Ort. An manchen Tagen fühle ich mich schrecklich, hab die schlimmsten Alpträume. An anderen bin ich fast froh, dass ich hier drin bin, dass ich den Rummel, den sie draußen um mich machen, kaum mitkriege. Nachdem ich aus dem Krankenhaus raus war, haben sie mich zuerst zu zwei anderen Mädchen in die Zelle gesteckt. Mit denen hab ich mich nicht verstanden, ich konnte einfach niemanden um mich haben. Schließlich haben sie mir eine Einzelzelle gegeben, haben lange überlegt, ob sie das wagen können. Wegen Selbstmordgefahr und so. Aber seitdem geht es mir eindeutig besser.
    Ich denke viel nach und lese, die Bücherei ist gar nicht übel. Die letzten Tage hab ich damit verbracht, diesen langen Bericht für Sie zu schreiben. Morgens hab ich angefangen und erst gegen Abend aufgehört. Vielleicht sind Sie durch das, was Sie bis jetzt erfahren haben, nicht viel klüger geworden. Für mich jedenfalls war das Schreiben wichtig. Weil ich mir wieder sicher bin. Weil ich mir von niemandem einreden lassen werde, ich hätte Jurij und Tom umgebracht. Weil mir klar geworden ist, dass wir mit unserem Spiel in einen Prozess geraten sind, der am Ende drei Tote gefordert hat.
    Ja, ich hab Schuldgefühle. Natürlich. Ich hätte das Spiel früher stoppen können. Ich hätte Jurij und Tom davon überzeugen sollen, dass wir keine Chance haben. Ich hätte die beiden im Lokal nicht allein lassen sollen. Und ich quäle mich nach wie vor damit herum, dass ich den Arzt nicht früher geholt habe. Dagegen hat auch nicht geholfen, dass ich von dem Kommissar erfahren habe, dass Tom sowieso nur eine minimale Überlebenschance gehabt hätte. Und das nur, wenn er sofort, nachdem die Schüsse gefallen waren, in ein Krankenhaus gekommen und operiert worden wäre.
    Übrigens – bei meiner letzten Vernehmung erfuhr ich, dass die Ärzte bei Tom Spuren von Gewalt an Kopf und Brust gefunden haben. In den Tagen zuvor hatte ich dem Kommissar immer genau das erzählt, was ich Ihnen in meinem Bericht geschrieben habe. Dass ich mich auf Tom gestürzt hatte, nachdem er mir gesagt hatte, dass Jurij tot war. Der Kommissar glaubte mir nicht. Als geübte Karatekämpferin hätte ich Tom mit gezielten Tritten außer Gefecht gesetzt, behauptete er, und ihn dann in den Bauch geschossen. Ist doch verrückt, oder? Da lerne ich eine Kampftechnik, um mich auf der Straße im Notfall gegen irgendwelche Typen schützen zu können. Da werde ich deshalb in der Schule von meiner Sportlehrerin ausdrücklich als Vorbild hingestellt. Und jetzt drehen sie mir ausgerechnet daraus einen Strick, weil sie glauben, dass ich mit genau dieser Technik meinen Freund umgebracht hätte.
    Außer meinen Eltern und Ihnen meldet sich niemand. Nicht einmal Melanie. Dabei hatten wir uns versprochen, uns niemals im Stich zu lassen. Großes Ehrenwort. Vielleicht ist es ihr peinlich, jemanden wie mich gekannt zu haben.
    Meine Eltern besuchen mich, wann

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