Nr. 799 (German Edition)
war ich doch kurz davor gewesen.
Nummer Achthunderts Mundwinkel zuckten belustigt. »Das hätte ich gerne gesehen«, wisperte er. »Und übrigens, mein Name ist anscheinend David.«
»Oh, freut mich.« Ich lächelte zurück. »Und ich heiße –«
»Ich weiß«, unterbrach er mich. »Ich hab’s vorhin mitbekommen, als die irre Sekretärin dich angeschmachtet hat. Hanna. «
Als er meinen Namen aussprach, fühlte ich zum ersten Mal, dass er tatsächlich zu mir gehören konnte. Dieser klangvolle, schöne Name.
»Ja«, wisperte ich. »Hanna.«
Während ich wartete, fühlte ich mich Nummer Achthundert – nein, David, korrigierte ich mich – seltsamerweise sehr verbunden. Auch wenn er mich nicht mehr ansah oder anlächelte, sondern stumm nach vorne schaute, so schien uns irgendein Band zusammenzuschweißen. Bei jedem Schritt, den er nach vorne trat, ging ich ihm hinterher, jeden Blick, den er in die Halle warf, tat ich ihm nach. Nun fühlte ich mich gar nicht mal mehr so alleine. Dann fragte ich mich, ob es in meinem vorherigen Leben wohl jemanden gegeben hatte, bei dem ich mich so gefühlt hatte. Ich wusste es nicht. Doch eigentlich kümmerte es mich auch nicht mehr. Denn ich hörte nicht auf zu lächeln. Leise und unbeschwert.
KAPITEL 5
Nachdem wir das Essen zu uns genommen hatten, standen wir gemeinsam mit ein paar anderen Leuten auf und machten uns auf den Weg zurück in unsere Abteilung.
Ich betrachtete neugierig die anderen aus unserer Gruppe, die noch relativ unsicher wirkten. Genauso wie wir.
Unter ihnen war ein etwa siebenjähriges Mädchen mit blonden Zöpfen, das die ganze Zeit kurz davor war, zu weinen. Mia , so hatte die Sekretärin sie vorhin genannt und getröstet. Ich verstand nicht, wieso ein Kind als Überführer arbeiten musste, daher lächelte ich Mia aufmunternd zu. Sie blinzelte ihre Tränen fort und lächelte zaghaft zurück.
Neben ihr lief ein hagerer Mann, der eine Brille trug. Bei jedem Schritt zuckte er zusammen und drehte sich im Kreis, als würde er sich in einem Albtraum befinden und als könnten ihn jeden Moment Zombies angreifen. Er wirkte eindeutig wie ein zukünftiger Besucher von Alfi, dem Psychodoktor. Noch schien er unsere Situation nicht wirklich verarbeitet zu haben. Aber wer konnte das schon?
Des Weiteren war eine langbeinige Schönheit unter uns, neben der ich mir klein und zu mager vorkam. Sie besaß glänzende, platinblonde Haare und eine glatte Haut. Stets lächelte sie tapfer, wie eine Heilige. Auch jetzt sah sie mich so wohlwollend an, dass mir nichts anderes übrig blieb, als ihr freundlich zuzunicken.
David lief uns – wie ein zielstrebiger Anführer – voran. Er sprach kaum, wies uns stumm den Weg durch die verworrenen Gänge und wirkte gleichzeitig so traurig, dass es beinahe mir wehtat.
»Ähm, darf ich euch etwas fragen?« Die langbeinige Schönheit erhob zögernd ihre Stimme und sah uns voller Spannung an.
»Schieß los«, murmelte ich, während wir weiterliefen und an einem Klassenzimmer vorbeikamen, in dem mehrere Leute in merkwürdigen schwarzen Umhängen saßen, deren Gesichter wir von Weitem nicht erkennen konnten.
Waren das womöglich die Komiteemitglieder, die uns untersucht hatten? Und die nun ihre Ergebnisse in einer Art Versammlung zusammentrugen? Was sie wohl bei mir festgestellt hatten?
Einer von ihnen stand ganz vorne und schrieb etwas an die Tafel. Ich kniff die Augen zusammen und versuchte zu erkennen, was dort stand, doch die Zeichen waren kryptisch und unlesbar. Hm, Geheimnisse , dachte ich. Davon wimmelte es in dieser Anstalt offenbar.
»Wie, sagt mal, wie ... ist es bei euch passiert?«
Mia begann leise zu wimmern, woraufhin ich ihr vorsichtig die Hand auf die Schulter legte und die Platinblondine vorwurfsvoll anfunkelte.
»Tut mir leid.« Sie zuckte mit rot angelaufenem Gesicht die Schultern. »Es interessiert mich nun mal.«
David drehte sich kurz in meine Richtung und lächelte mich halb an, sobald er sah, wie ich den Arm um Mia gelegt hatte, dann eilte er weiter. Seltsamerweise wirkte er gehetzt. Ich fragte mich, woran das lag.
»Also ... bei mir scheint es ein Blitzschlag gewesen zu sein«, sagte der Mann mit der Brille plötzlich. Er rieb sich über den kahlen Hinterkopf und runzelte die Stirn. »Aber ich erinnere mich nicht. Doch irgendwie –«, er überlegte, »stehe ich unter Strom, glaube ich. Es fühlt sich so an, als –«
»Halt dir die Ohren zu«, schlug ich Mia vor, die nun noch lauter schluchzte. Sie
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