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Nr. 799 (German Edition)

Nr. 799 (German Edition)

Titel: Nr. 799 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yuna Stern
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und ganz auf mein Buch konzentriert. Anna Karenina .
    Er kam auf mich zu, blieb stehen, zögerte, traute sich nicht. Lief wieder an mir vorbei. Warf einen Blick zurück.
    Und ich las weiter, ohne aufzuschauen. Lebte in meiner eigenen Welt. Bemerkte nichts, ihn schon gar nicht.
    Wenn ich Bastian nur nie kennengelernt hätte. Was wäre dann gewesen? Was wenn? Was wenn? Was wenn?
    Nicht weinen .
    Blinzeln, schnell. Ich spürte einen Knoten im Hals, ich konnte nicht atmen. Irgendetwas in mir drin wollte ausbrechen, wollte, dass ich losließ. Dass ich weinte. Dass ich aufschrie. Brüllte. Um mich schlug. War das Hanna M.? Oder Nummer Siebenhundertneunundneunzig? Wer sperrte sich dagegen? Wer genau war ich?
    Das Mädchen da vorne, das nicht. Das nicht mehr.
    Das Mädchen hier, auf dem Klappstuhl aus Metall?
    Es spielte keine Rolle. Spielte es eine Rolle? Ich wusste es nicht. Ein einziger klarer Satz formte sich in meinen Gedanken. Von dem ich wusste, dass ich ihn wahrmachen musste.
    Ich muss fliehen .
    Ja.

KAPITEL 19

Aber wie?
    Ich wartete, bis der Psychologe den Raum verlassen hatte, um die Fotos auszuwerten. Doktor Aurelian P. packte seine Sachen zusammen, während das Licht im Behandlungszimmer wieder heller wurde. Es war geschafft.
    Ich hatte keine Miene verzogen, bis zu diesem Moment.
    Nun warf ich dem Arzt ein zaghaftes, gespieltes Lächeln zu. Er nickte mir zu, ordnete seine Unterlagen und murmelte: »Na, sehen Sie, Hanna. So schlimm war’s nicht.«
    »Ja.« Nein. Ich erhob mich vom Klappstuhl und ging auf ihn zu.
    Er hob den Kopf, kratzte sich am Bart.
    »Ich habe eine Bitte an Sie«, flüsterte ich.
    Seine Augen tanzten durch den Raum, suchten sie vielleicht nach versteckten Mikrofonen? Ich wurde allmählich paranoid, dachte ich. Er räusperte sich. »Ähm, schießen Sie los.«
    »Ich will ...« Er wird mir nicht glauben . »Bitte ...« Ich stockte und versuchte mir die Worte zurechtzulegen. Ich wollte nichts Falsches sagen. »Einen Blick ?«
    Ein Schnauben. Doktor Aurelian P. verdrehte die Augen und trat mit seinem Stiefel auf. »Wollen Sie mich veralbern? Einen Blick? Wozu denn das? Was für einen Blick?« Seine Mundwinkel zuckten, sobald er fortfuhr: »Lassen Sie mich raten, Sie wollen einen Blick in Ihre Unterlagen werfen.«
    Genau .
    Ich durfte es nicht so eindeutig formulieren. Es musste so klingen, als wollte ich damit ... »Um mich zu lösen«, begann ich zögernd. »Ich will schließlich ... mich damit abfinden. Mich ... vorbildlich verhalten. In Zukunft. Dazu muss ich abschließen. Mich von meiner Vergangenheit verabschieden.«
    »Das wollen Sie, ja?«, entgegnete er trocken. »Klar, warum auch nicht. Ich kann Sie sowieso nicht aufhalten. Was auch immer Sie vorhaben. Ich wundere mich nur ...«, er drehte sich um und durchsuchte seine Ordner, »... warum Sie damit immer zu mir kommen.«
    Immer?
    »Ich verstehe nicht.«
    Er löste vier Blätter aus seinem – nein, meinem – Ordner und faltete sie, ehe er sie in seiner Tasche verschwinden ließ. Was waren das für Unterlagen? »Viel Spaß damit«, murmelte er. »Ich warte draußen. In sieben Minizeigern sind Sie fertig hiermit, in Ordnung? Dann hauen Sie ab und ...«, er unterbrach sich selbst, »ähm, gehen in Ihr Quarantänezimmer. Ja?«
    Ich bedankte mich. Wahrscheinlich durfte er mir die Erlaubnis nicht erteilen, dennoch tat er es offenbar, weil er Mitleid mit mir hatte. Oder?
    Er sagte nichts, richtete den Blick auf den Boden und hastete an mir vorbei. Die Tür fiel laut hinter ihm zu.
    Ich schlug den Ordner auf. Was suchte ich? Einen Weg. Einen Plan. Irgendetwas.
    Oh, nein.
    Er wollte mich wohl ärgern. Die ersten Seiten waren in einer unleserlichen Schrift verfasst. Nur meine Nummer konnte ich entschlüsseln. Sonst war alles absolut unverständlich.
    Ich blätterte weiter und verfluchte Doktor Aurelian P. Wenn das so weitergehen sollte, dann ...
    Da.
    Mein Name. Was bedeutete die Siebzehn daneben? Ich überlegte und strich mit meinen Fingern darüber. Sie war mehrfach eingekreist worden. Und ein Fragezeichen war daneben. Ich runzelte die Stirn.
    Egal. Weiter. Suchen. Eine Karte. Vielleicht ganz hinten?
    Ich blätterte weiter, obwohl ich ein seltsames Gefühl in der Magengrube hatte. Übelkeit. Das lag sicherlich an den Bildern aus meiner Vergangenheit.
    Was würde eigentlich passieren, wenn ich es tatsächlich schaffte? Mit David (und Mia!) zu flüchten? Gab es überhaupt eine Welt außerhalb dieser Anstalt? Wo würden wir landen?
    Diese

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