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Nr. 799 (German Edition)

Nr. 799 (German Edition)

Titel: Nr. 799 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yuna Stern
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wirklich nicht normal war.
    Recht bald erreichten wir einen Ort, an dem das Licht greller wurde. Ja, hier. Hier konnte ich alles besser sehen, trotz meiner Augenbinde: ein Tresen, hell gekleidete Gestalten dahinter, die den Kopf hoben, als wir eintraten. Ein Boden, der dumpfe Geräusche von sich gab, als wir drauftraten. PVC? Und flackernde Neonröhren an der Decke, die surrten.
    Nummer Fünf brachte mich zum Stehen, indem er meinen Hals grob zurückriss. Er trat mit mir gemeinsam zu dem Tresen, kündigte unsere Ankunft an. Dann hörte ich Papierrascheln, eine der Gestalten reichte ihm Unterlagen, die er zähneknirschend unterschrieb.
    »Können wir gleich los? Ist der Psycho bereit?«, fragte er ungeduldig und trommelte mit den Fingern auf meinen Nacken.
    »Noch nicht«, antwortete eine melodische Frauenstimme. Sie zögerte und fuhr fort, nachdem Nummer Fünf verärgert geschnaubt hatte. »Ähm, das liegt daran, dass ihn diese Versammlungen recht verwirren. Er muss erst einmal seine eigene«, sie wisperte das nächste Wort nur, » Panik vertreiben.«
    »Hm.« Nummer Fünf zog mich zurück und riss mir die Augenbinde vom Kopf.
    Alles blendete mich. Ich kniff die Augen zusammen, konnte allmählich das wutverzerrte Gesicht des Ausbilders vor mir erkennen, der sich ganz klar Mühe gab, nicht auszurasten. Seine Mundwinkel zuckten, während er mich anstarrte. »Ich habe schon immer gesagt, dass sie den Idioten vom Dienst entlassen sollen. Aber irgendwie scheinen sie ja alle einen Narren an ihm gefressen zu haben. Versteh ich nicht. So ein Armleuchter. Psychologe, dass ich nicht lache. Soll der sich doch bitte erst selbst behandeln, der –«
    Er verstummte. Sein Blick wanderte weiter, bis ans Ende des Empfangsbereichs. Dort kam gerade Alfred B. aus einem Behandlungszimmer geschwankt, auf dessen Tür ein gezacktes, rotes Kreuz abgebildet war. In seiner Hand hielt er einen silbernen Flachmann.
    »Na dann«, Nummer Fünf grinste mich süffisant an, »ab in die Psychositzung mit Ihnen.«

KAPITEL 18

Im Behandlungszimmer war auch Doktor Aurelian P. anwesend. Er lehnte gegen die Wand, nickte mir stumm zu, sobald ich eintrat. Ein fast leerer Raum – einzig ein Klappstuhl aus Metall stand in der Mitte. Wie ein einsamer Thron.
    Ohne Begrüßung schob mich der Psychologe der Anstalt weiter, drückte mich auf den Stuhl und schloss die Tür. Anschließend räusperte er sich. Sein Gesicht war rot angelaufen und er schwitzte aus allen Poren. Sein Kittel klebte an seinem Kugelbauch, sein Nacken legte sich in so viele Falten, dass es so aussah, als besäße er etliche Münder da hinten. Er war vollkommen kahl, auf seinem Kopf spiegelte sich das hellblaue Licht dieses Zimmers.
    Nachdem er eine Weile durch den Raum spaziert war, als wäre er auf der Suche nach irgendeinem Medikament für mich, blieb er neben Doktor Aurelian P. stehen und flüsterte ihm etwas zu. Danach zog er ein Taschentuch aus seinem Kittel und schnäuzte sich damit.
    »Nun gut«, begann er heiser. »Ich begrüße Sie, Nummer Siebenhundertneunundneunzig.« Er wich meinem Blick aus, sah hartnäckig auf einen Punkt hinter meinem Kopf. Damit schaffte er es, dass ich mich noch unbehaglicher fühlte. Warum war er so merkwürdig?
    »Ich«, er hechelte, als würde er ersticken, »habe schon viel von Ihnen gehört. Von vielen Seiten. Zu vielen, könnte man vielleicht denken.« Diesmal brachte er ein verzerrtes Lächeln zustande. Immerhin, dachte ich. »Jetzt muss ich Sie erst einmal darüber in Kenntnis setzen, dass Sie nicht mehr das Recht besitzen, sich zu verteidigen. Jede Untersuchung ist jetzt absolut notwendig, meine Erkenntnisse werde ich teilen, ich werde Sie beobachten, wir werden eine Lösung finden müssen. So geht es nicht mehr weiter mit Ihnen. Was für Sie vielleicht bedauerlich sein mag, was wiederum ein Zeichen dafür ist, dass Sie nicht –«
    »Fang einfach an, Alfi«, zischte Doktor Aurelian P. und klopfte seinem Kollegen auf die Schulter. »Sie hat’s schon begriffen, nicht wahr, Hanna? Ihr glaubt, dass sie spinnt, daher muss sie sich nun deinen Spielchen aussetzen!«
    Doktor Alfred B.s Mund öffnete und schloss sich wieder. Nun erinnerte er mich an einen Fisch, den man aus dem Wasser genommen hatte und der an Land nicht überleben konnte. Irgendwann seufzte er und rieb sich mit seinem Handrücken über die Stirn. »Nun gut«, wisperte er. »Du hast wie immer Recht, Lian.«
    Lian ?
    Der Psychologe sah mich entschuldigend an und murmelte: »Verzeihen Sie,

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