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Nubila 01: Das Erwachen

Nubila 01: Das Erwachen

Titel: Nubila 01: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Siebern
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biss die Zähne zusammen.
    „ Wen?“, fragte er, als hätte er sie nicht richtig verstanden.
    „ Der Mann da am Fenster“, präzisierte Kathleen. „Ich hätte ihn getötet, wenn die Sonne nicht aufgegangen wäre.“
    „ Wahrscheinlich schon.“, bestätigte Jason. „Ja.“
    Kathleen nickte und sah dann zu Boden.
    „ Werde ich jemals wieder unter Menschen sein können?“, fragte sie betrübt.
    „ Irgendwann vielleicht schon“, antwortete Jason. „Aber es wird immer gefährlich sein und ich vermute doch mal, dass du niemanden in Gefahr bringen willst, oder?“
    Kathleen schüttelte sofort den Kopf.
    „ Ich erinnere mich kaum an die Menschen“, sagte sie betrübt. „Nicht mal an Sam. Aber ich weiß, dass er mir einmal sehr viel bedeutet haben muss.“
    „ Ja“, bestätigte Jason. „Wahrscheinlich.“
    Kathleen schwieg eine lange Weile und schien sich vollkommen in ihre eigenen Gedanken zurückzuziehen.
    „ Kommt die Erinnerung irgendwann zurück?“, fragte sie halb hoffnungsvoll, halb befürchtend.
    „ Ich glaube nicht, Kathleen“, sagte Jason traurig. „Du solltest froh darüber sein. Ursprünglich ist diese Art des Vergessens vermutlich dazu da gewesen, um eure Hemmungen abzubauen einen Menschen zu beißen. Es zerstört euer Mitleid. Da wir aber nicht mehr zulassen dass ihr das tut, dient es jetzt eher eurer Abschottung von der alten Welt.“
    „ Ich empfinde aber immer noch Mitleid“, protestierte Kathleen in Jasons Richtung und wandte dann den Blick ab, um Jason nicht die Gelegenheit zu geben sie weinen zu sehen.
    „ Kathleen“, sagte Jason ruhig. „Ich weiß, dass du mir die Schuld an dem gibst, was geschehen ist. Und zwar zu recht. Es stimmt. Ich habe dich zu dem gemacht, was du bist. Aber jetzt ist es zu spät. Man kann es nicht rückgängig machen.“
    „ Nein. Wohl nicht.“
    „ Wenn du dich erst einmal eingewöhnt hast, wirst du es gar nicht mehr als so schlimm empfinden.“
    „ Eingewöhnt“, sagte Kathleen spöttisch. „Worein? In den Käfig?“
    „ Der ist notwendig, Kath. Das hast du doch heute gesehen. Wenn du soweit bist, dann darfst du raus.“
    Kathleen schüttelte betrübt den Kopf und betrachtete dann ihre Verbrennungen, die langsam schon wieder abklangen.
    „ Und die Sonne verletzt dich nicht?“, fragte Kathleen interessiert.
    Jason verzog missmutig das Gesicht und drehte sich dann um, unter der Bank nach etwas zu suchen, um Kathleens Wunden zu kühlen. Er fand es eigenartig, dass Kathleen ihn instinktiv duzte. Es fühlte sich falsch an, weil es ihm das Gefühl gab sie wäre ihm ebenbürtig.
    „ Du solltest mich nicht duzen“, stellte Jason klar. „Ich weiß, dass du das nicht gewohnt bist, aber es steht dir nicht zu.“
    Kathleen zog eine Augenbraue nach oben, erwiderte aber nichts. Sie war zu erschöpft, um sich zu streiten.
    „ Hier“, sagte Jason und drückte Kathleen einen Eisbeutel in die Hände. „Kühl deine Hände damit. Das wird den Schmerz lindern.“
    Kathleen gehorchte, betrachtete ihn aber weiterhin aus ihren hellblauen Augen heraus. Sie wartete eindeutig immer noch auf eine Antwort und aus irgendeinem Grunde hatte Jason das Gefühl als wäre er ihr eine Antwort schuldig.
    „ Nein“, sagte er schließlich, als er ihren bittenden Blick nicht mehr ertrug. „Mir passiert das nicht. Mir macht die Sonne nichts aus. Das ist etwas, das nur dir und den anderen Dienern widerfährt. Und auch nur, wenn es nicht bewölkt ist. An besonders grauen Tagen könnt ihr sogar draußen herumlaufen, ohne Verletzungen davonzutragen. An richtig sonnigen Tagen hingegen mussten wir sogar deinen Käfig mit einer Plane abdecken, die das Sonnenlicht komplett von dir abhält. Vielleicht verstehst du jetzt langsam, wie unsinnig es von dir war wegzulaufen. Was hattest du überhaupt vor? Dich umbringen? Das haben schon andere vor dir versucht. Erfolglos.“
    Kathleen schwieg. Jason war klar, dass Kathleen diese Dinge nicht hatte wissen können und dass es eigentlich nicht wirklich ihre Schuld war, aber er war wütend auf Laney und auf sich selbst, und Kathleen war gerade die Einzige, auf die er seine Wut projizieren konnte. Eine Neue zu erziehen war offensichtlich doch nicht so einfach, wie er es sich vorgestellt hatte. Es zehrte auf jeden Fall unwahrscheinlich an den Nerven.
    „ Deine Wunden werden heilen“, sagte Jason nach einer Weile unangenehmer Stille. „Aber geh nie wieder um diese Uhrzeit ins Freie. Die Sonne kann dich töten, wenn du dich ihr zu lange aussetzt.

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