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Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)

Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Ferber
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war ihm das gelungen, denn die Gespräche an den Tischen verstummten, und alle sahen zu ihm hin. Nur Sheila bestrich ungerührt ihr Brötchen mit Honig, während Luigi zum Buffet schritt und, seiner Wirkung wohl bewusst, weitersang: »Qual piuma al vento, muta d’accento, e di pensiero. Sempre un amabile, leggiadro viso, in pianto o in riso, è menzognero.«
    Miss Kappel klatschte Beifall, ebenso wie viele andere im Speisesaal. Luigi griff sich mit gespielter Überraschungüber den Applaus an die Brust und deutete eine Verbeugung an.
    »Typisch Luigi, immer der große Auftritt«, sagte Sheila.
    »Sei nicht so streng mit mir, mein Stern«, sagte Luigi, der, ohne dass sie es bemerkt hatte, an ihren Tisch getreten war. Er stellte seinen Teller ab und beugte sich zu Sheila hinab, einen Wangenkuss andeutend. »Ist hier noch frei?« Er setzte sich auf den freien Platz gegenüber von James.
    »Sie haben eine wundervolle Stimme«, sagte Judy enthusiastisch.
    Luigi bedankte sich mit einem breiten Lächeln, und seine Zähne leuchteten so weiß wie ein Dracula-Gebiss aus dem Scherzartikelgeschäft. »Ach, ich kann einfach nicht anders, es liegt mir im Blut. Sänger ist man immer, nicht nur in der Oper. Damit gehe ich manchen Leuten ziemlich auf die Nerven, nicht wahr, Sheila?«
    Sheila biss in ihr Honigbrötchen.
    »Sie sind der Zweite heute, von dem ich das höre«, bemerkte James.
    »Dass ich Leuten auf die Nerven gehe?«
    James lächelte. »Nein, ich meinte den Teil, als Sie sagten, dass Sie immer Sänger sind, nicht nur abends in der Oper. Heute Morgen traf ich einen Geistlichen, dem es ähnlich geht.«
    »Ein singender Geistlicher?«, fragte Miss Kappel.
    »Ein Geistlicher, der meinte, Seelsorger sei er immer, nicht nur während der Gottesdienste. Beruf und Privatleben sozusagen eins.«
    »Ist es bei Ihnen etwa anders, James?«, bemerkte Sheila.
    »Aber sicher. Ich habe Berufliches und Privates immer streng voneinander getrennt.«
    »War es nicht vielmehr so«, sagte Sheila, »dass es da nichts zu trennen gab? Ich wüsste nicht, dass Sie ein Privatleben gehabt hätten.«
    »Ein Beweis dafür, wie gut mir die Trennung gelungen ist«, gab er zurück. »Sie erinnern sich? Sie standen auf der beruflichen Seite.«
    »Also, beruflich bin ich, ehrlich gesagt, schon im Ruhestand«, bemerkte Luigi. »Mein letzter großer Auftritt liegt schon ein oder zwei Jahre zurück.« Sheila, die neben James saß, bedeutete ihm mit ausgestreckten Fingern unter dem Tisch, dass Luigi in Wirklichkeit schon seit sieben Jahren nicht mehr aufgetreten war.
    »Aber Sie sind immer noch mit Leib und Seele Sänger!«, sagte Miss Kappel bewundernd. »Ich wünschte, ich hätte eine ähnliche Begabung!«
    »Was machen Sie denn beruflich, wenn ich fragen darf?«, fragte Luigi. »Das Rentenalter ist bei Ihnen ja, im Gegensatz zu uns anderen hier am Tisch, noch in weiter Ferne«, setzte er charmant hinzu und ließ seine Zähne aufblitzen.
    »Ach, das sage ich lieber nicht, mein Beruf ist zu langweilig.« Miss Kappel häufte sich verlegen einen Löffel Zucker nach dem anderen in ihren Kaffee und rührte um.
    »Sie haben soeben Ihren Kaffee mit fünfeinhalb Löffeln Zucker hingerichtet, Judy«, sagte James. »Wenn Sie es schaffen, diesen Sirup zu trinken, haben Sie meine uneingeschränkte Bewunderung, egal, welchen Beruf Sie ausüben.«
    Judy Kappel lächelte. »Wie würde Ihnen Auftragskillerin gefallen? Würde das Ihre Bewunderung entfachen oder eher Ihren Jagdtrieb, James?«
    »Weder noch, fürchte ich«, scherzte James zurück. »Ich bin nicht mehr im Dienst und trauere dem Job auch nichthinterher. Da geht es mir offenbar anders als Geistlichen oder Opernsängern.«
    »Buchhalterin«, warf Sheila ein.
    Judys Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht. »Das wissen Sie von Ihrer Mutter, oder?«
    Sheila schüttelte den Kopf. »Nein, war geraten.«
    »Das sieht man Ihnen aber nicht an«, sagte Luigi. James war sich nicht sicher, ob aus der Bemerkung ehrliches Erstaunen sprach oder ob sie den ungeschickten Versuch darstellte, die Situation zu retten.
    »Danke«, sagte Judy. Sie griff nach ihrer Tasse, trank den verzuckerten Kaffee in einem Zug, stellte die Tasse wieder ab und lächelte James zu, der sich anerkennend verneigte.
    Sheila griff zum Messer und köpfte ihr Ei.
    Ein Kleinkind im Matrosenanzug kam plötzlich vom Buffet aus quer durch den Saal auf sie zugerannt, als sei der Teufel hinter ihm her. Doch es war nur seine Mutter. Ivy Watts bemühte sich um das

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