Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)
noch da, Mr Chandan hat das für mich unauffällig überprüft.«
»Vielleicht hat er vor, erst vom Festland aus ihre Konten abzuräumen? Besitzt er Zweitkarten?«
Jeremy nickte. »Ja, gut möglich. Das wäre auch sicherer für ihn. Wenn man ihn mit Phyllis’ Schmuck erwischen würde, hätte er arge Probleme, dafür eine harmlose Erklärung zu erfinden.«
»Aber wenn er zu lange wartet, werden die Konten gesperrt sein«, überlegte James. »Dann geht er leer aus.«
»Nein«, wendete Jeremy ein. »Typen wie Eden verstehen ihr Handwerk und wissen genau, an wen sie sich heranmachen. Sie suchen sich gezielt Frauen aus, die eine gewisse Naivität, aber auch großen Stolz an den Tag legen. Eden weiß genau, dass Phyllis ihre Konten nicht sperren wird. Wenn sie das täte, müsste sie sich eingestehen, dass sie einem Heiratsschwindler auf den Leim gegangen ist, und das lässt ihr Stolz nicht zu.«
»Ich verstehe es trotzdem nicht, tut mir leid. Warum wollen Sie tatenlos mit ansehen, wie Eden die Konten räumt, nur damit Phyllis an ihrem Geburtstag nicht mit der bitteren Wahrheit konfrontiert wird, betrogen worden zu sein? Das ist doch unverhältnismäßig. Spätestens übermorgen wird sie nicht mehr die Augen davor verschließen können, und dann ist auch noch ihr Geld weg.«
Jeremy lächelte. »James, Sie unterschätzen mich. Seien Sie unbesorgt, was die finanzielle Seite angeht. Das regle ich schon. Aber Frauen dürfen nicht alles erfahren. Und was das andere angeht, kommt mir ein bedauerlicher Zwischenfallzupass, der sich heute am frühen Morgen ereignet hat. Ein älterer Herr hat im Bad das Gleichgewicht verloren, ist schwer gestürzt und hat sich dabei einen üblen Armbruch zugezogen. Ein Rettungshubschrauber ist bereits angefordert, der ihn zur Operation ins Krankenhaus nach Marseille fliegen wird.« Jeremy sah James selbstzufrieden an. »Ahnen Sie, worauf ich hinauswill?«
James zog eine Augenbraue hoch. »Sie wollen Phyllis sagen, bei diesem Herrn handelte es sich um Eden.«
»Genau.«
»Das können Sie nicht machen!«
»Und ob ich kann, Sie werden sehen. Es ist genial!«
»Und wie wollen Sie erklären, dass Eden nicht schon bei der Suche heute Nacht gefunden wurde?«, fragte James.
Jeremy nickte. »Auch daran habe ich gedacht. Irren ist menschlich. Ich sage Phyllis, dass wir nicht daran gedacht haben, die Toilettenräume des Pubs zu überprüfen. Dort lag Eden bewusstlos, wurde eingeschlossen und erst heute morgen entdeckt.«
»Phyllis wird toben«, sagte James, »dass man sie nicht früher informiert hat und sie keine Gelegenheit hatte, ihren Mann zu begleiten.«
»Nein, sie wird froh sein, dass Eden wieder aufgetaucht ist, wenn auch lädiert, und dass er schnellstmöglich und optimal versorgt wird. Und vor allem wird sie erleichtert sein, dass ihr die Demütigung, auf einen Heiratsschwindler hereingefallen zu sein, erspart geblieben ist und sie ihren Geburtstag unbeschwert feiern kann.«
»Phyllis wird mit Eden telefonieren wollen.«
Jeremy lächelte triumphierend. »Daran habe ich auch schon gedacht. Der vermeintliche Eden wird ja gleich operiertwerden. Heute Nachmittag werde ich vorgeben, mit dem behandelnden Arzt zu sprechen, und der wird sagen, dass es dem Patienten den Umständen entsprechend gut geht, er aber noch unter den Nachwirkungen der Narkose leidet und noch nicht telefonieren kann.«
»Aber wenn Eden zwischenzeitlich doch noch auftaucht? Dann haben Sie ein Problem.«
»Nein, dann hat dieser Mistkerl ein Problem«, sagte Jeremy ruhig. »Und wenn er nicht schleunigst freiwillig wieder abtaucht, werde ich ihn höchstpersönlich über Bord werfen.«
»Und wenn seine Leiche irgendwo angespült wird?«
Jeremy sah James an und seufzte. »Sie denken an alles, was? Geheimdienstleute müssen wahrscheinlich so ticken, schätze ich. Alle Eventualitäten werden durchgespielt. Aber ich sage Ihnen jetzt einmal etwas aus meiner Erfahrung als Unternehmer, Null-Null-Siebzig: Wenn man ins Wasser geworfen wird und nicht schwimmen kann, nützt es nichts zu überlegen, ob es im Wasser Haie gibt und wie weit entfernt das Ufer ist. Man muss erst mal versuchen, einen Schwimmzug zu machen und den Kopf über Wasser zu halten. Und wenn man den ersten Zug geschafft hat, macht man den nächsten.«
In der Tür drehte Jeremy sich noch einmal um. »Sagen Sie, James, dieser Einbruch bei Ihnen – es fehlt wirklich nichts?«
James nickte. »Nicht das Geringste.«
Jeremy schüttelte nachdenklich den Kopf.
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