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Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)

Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Ferber
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Sutcliffe machte ein erstauntes Gesicht. »Geheimdienst? Das ist wirklich ungewöhnlich. Sehr aufregend, so ein Leben als Geheimagent, oder?«
    »Nein, die meiste Zeit eigentlich nicht. Und selbst wenn, durfte man nicht davon erzählen.«
    Joseph Sutcliffe nickte lebhaft, beugte sich nach vorn und stützte die Unterarme auf den Tisch. »Haben Sie sehr darunter gelitten, dass Sie niemandem erzählen konnten, was Sie beruflich gemacht haben?«
    »Es hatte seine guten Seiten, nicht wahr. Frauen beispielsweise mögen es, wenn ein Mann sie nicht mit Geschichten über seinen Job langweilt.«
    Joseph Sutcliffe lachte. »Aber in Ihrem Fall wäre es doch nun wirklich nicht langweilig gewesen, oder?«
    James zuckte mit den Schultern. »Sehen Sie, noch ein Grund zu schweigen. Sonst hätte ich womöglich das Klischeevom aufregenden Leben des Geheimagenten zerstört. Im Übrigen wahrscheinlich eh unmöglich, kein realer MI-6-Agent kommt gegen diese ganzen Filme an. Aber lassen wir das. Sagen Sie, kannten Sie eigentlich den Herrn, in dessen Begleitung ich eben war?«
    Joseph Sutcliffe verzog das Gesicht. »Den alten Mann, der Wichtigeres zu tun hatte, als zum Gottesdienst zu kommen? Nur vom Sehen, warum?«
    »Ihm gehört dieses Schiff«, erklärte James. »Ich hatte gedacht, Sie kennen ihn vielleicht.«
    »Ach«, sagte Joseph Sutcliffe. »Das ist also Mr Watts? Der Kapitän hatte beiläufig erwähnt, dass er diesmal samt einer Geburtstagsgesellschaft mitfahren würde, aber ich wusste nicht, wie er aussieht. Ich hätte nicht gedacht, dass er schon ...« Joseph Sutcliffe stockte.
    »So alt ist?«, vollendete James den Satz.
    Der Pfarrer nickte verlegen.
    »Ich gehöre auch zu dieser Geburtstagsgesellschaft«, erklärte James. »Allerdings gibt es ein Problem. Seit gestern wird der Ehemann der alten Dame vermisst, die morgen hier ihren Geburtstag feiern wird.«
    »Du meine Güte!« Pfarrer Sutcliffe zog ein Erfrischungstuch aus der Hosentasche und öffnete es umständlich. »Und?«, fragte er interessiert, noch während er damit über Stirn und Schläfen rieb und sich ein intensiver Zitronenduft verbreitete.
    »Sie haben diese Nacht das ganze Schiff nach ihm durchsucht«, fuhr James fort, »aber ohne Ergebnis. Es gibt natürlich die wildesten Theorien. Zum Beispiel, dass er einfach über Bord geworfen wurde. Kapitän Sullivan meinte, so etwas sei schon einmal vorgekommen.«
    Joseph Sutcliffe leerte seinen Eistee und stellte das Glas ab. »Ja, ich erinnere mich gut. Aber das war kein Selbstmord. Das war ein Mordversuch. Der arme Kerl wurde einfach über Bord geworfen, so wie man einen Stein ins Wasser wirft. Das Ganze wurde vertuscht, ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass er viel Geld für die Aussage bekommen hat, er habe sich das Leben nehmen wollen. Man fürchtete Umsatzeinbußen, wenn diese Sache an die Öffentlichkeit gelangt wäre.« Joseph Sutcliffe sah nachdenklich aufs Meer hinaus. »Der arme Kerl, er hatte sehr, sehr großes Glück, dass er überlebt hat. Es ist erschreckend, wozu Menschen fähig sind. Es läuft etwas grundsätzlich falsch in unserer Gesellschaft, wenn Menschen ohne Gewissen heranwachsen, finden Sie nicht? Die einen anderen töten, einfach so, aus einer Laune heraus. Seelische Krüppel, die weder Einfühlungsvermögen noch Mitleid haben. Aber ich stelle seit Jahren ...«
    »Man hat den Täter also nicht gefasst?«, unterbrach James ihn.
    Joseph Sutcliffe griff wieder zu seinem Glas und ließ die Eiswürfel in seinen Mund rutschen. »Nein, es gab keine Zeugen«, sagte er undeutlich. »Das Letzte, woran sich das Opfer erinnern konnte, war jemand, der in einiger Entfernung von ihm auf einer Bank gesessen und den Sonnenuntergang beobachtet hat. Er konnte keine genauere Beschreibung abgeben, noch nicht einmal, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte. Verständlich, wenn Sie mich fragen. Der Schock wird zu einer Amnesie geführt haben. Ich habe da neulich einen ganz ausgezeichneten Artikel in einer medizinischen Fachzeitschrift gelesen, der diese Zusammenhänge beleuchtet ...«
    Pfarrer Sutcliffe begann nun, über verschiedene Fallbeispiele zu dozieren, und achtete nicht mehr darauf, ob sein Gegenüber noch zuhörte. Berufskrankheit, dachte James. Wahrscheinlich schaut er bei seinen Predigten auch zuweilen in leere Gesichter und hält das für normal. Er ließ seinen Blick zum Pool schweifen. Die Animateurin war zurückgekehrt und hockte von sechs Kindern umringt am Rand des Pools. Sie blies einem

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