Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst
Hirngespinst nachgejagt war. Und schließlich ließ ihn das Gefühl einer drohenden Gefahr seit seiner Ankunft in Eaglehurst einfach nicht los.
»Wenden Sie«, befahl er dem Taxifahrer widerstrebend. »Fahren Sie wieder zurück nach Hastings, bitte.«
»Schade«, meinte der Taxifahrer enttäuscht. »Ich hatte mich auf ein Mittagessen im ›Falstaff‹ gefreut. Da gibt es den besten Steak-and-Kidney-Pudding weit und breit. Und einen guten Kaffee machen sie auch. Den nächsten kriege ich sogar umsonst, meine Bonuskarte ist voll.«
James stutzte. Ihm fiel etwas ein. Er kramte in seiner Brieftasche und zog das Kärtchen hervor, das Sheila in Maddisons Zimmer unter dem Bett gefunden hatte. »Kennen Sie das hier?«
Der Taxifahrer nickte. »Klar, eine Bonuskarte für Kaffee. Die haben sie jetzt überall. Für jeden Kaffee gibt es einen Stempel. Und wenn die Karte vollgestempelt ist, geht der nächste Kaffee aufs Haus.«
»Ja, ja«, sagte James ungeduldig, »aber auf der Karte steht leider nicht der Name eines bestimmten Pubs, sondern einfach nur Carlo’s. Das ist eine Ladenkette, die gibt es im ganzen Land.«
»Zeigen Sie mal her.« Der Taxifahrer streckte den Arm nach hinten, und James gab ihm das Kärtchen. Als er einen Blick darauf geworfen hatte, lächelte der junge Mann und reichte die Karte wieder nach hinten. »Klare Sache. Sehen Sie sich mal die Stempel genau an.«
Sheila nahm die Karte an sich. »Glocken, na und?«
»Ich möchte wetten, dass diese Karte aus dem ›Eight Bells‹ stammt.«
James lehnte sich nach vorn. »Und das ist ein Pub in Dover?«
»Und ob. Jeder kennt das ›Eight Bells‹, es ist eine Institution. Es hängen acht ziemlich gewaltige Glocken von der Decke, daher der Name. Dort trifft sich halb Dover, dazu kommen jede Menge Touristen wegen der günstigen Essensangebote. Ich bin mal reingegangen, aber mir war’s da zu voll, wie gesagt, der Steak-and-Kidney-Pudding im ›Falstaff‹ …«
James klopfte dem Taxifahrer auf die Schulter. »Sie sollen Ihren Steak-and-Kidney-Pudding haben!«
»Doch nicht wenden?«
»Nein, wir fahren nach Dover!«
Kapitel 15
»Warum wollen Sie jetzt noch nach Dover?« Sheila war skeptisch. Für sie war der Fall aufgeklärt. Der Nebel hatte sich gelichtet, klar und deutlich waren zwei Selbstmorde zutage getreten. Ohne Mörder gab es auch keine Bedrohung mehr. Die Anspannung war von ihr abgefallen. »Kommen Sie, James. Lassen Sie uns zurück nach Hastings fahren und packen.«
»Sind Sie denn nicht neugierig, warum Maddison sich ausgerechnet nach Dover hat fahren lassen?«, fragte James. »Er muss doch einen Grund gehabt haben.«
»Es ist mir ehrlich gesagt egal, welchen Grund er hatte. Vielleicht hat er eine Frau getroffen«, mutmaßte Sheila.
»Mr Maddison war über achtzig«, mischte sich der Taxifahrer ein.
»Ja, und?«, fragte Sheila.
»Ich mein ja nur. In dem Alter ist man doch jenseits von Gut und Böse.«
Sheila holte tief Luft, um diesem jungen Mann, der noch unter seiner Pubertätsakne litt, eine passende Antwort darauf zu geben.
»Wie dem auch sei«, sagte James und legte ihr besänftigend die Hand auf den Arm, »jedenfalls hat er seine Mitbewohner in Eaglehurst schön an der Nase herumgeführt. Alle haben geglaubt, dass er unter Demenz leidet, und dabei war er vermutlich genauso klar im Kopf wie Sie und ich. Mal schauen, obwir noch etwas über ihn herausfinden. Und sei es auch nur, um letzte Gewissheit über seinen Freitod zu erhalten. Es scheint mir nicht recht ins Bild zu passen, dass jemand wie er sich ausgerechnet einen vollen Bingo-Saal zum Sterben aussucht.«
Eine Stunde später saßen James und Sheila im »Eight Bells«. Trotz seiner Größe war der Pub mit seiner dunklen Einrichtung und dank des dicken, lärmschluckenden Teppichs recht gemütlich und zog ein bunt gemischtes Klientel an: Draußen vor der Tür saß eine Gruppe alternder Punks, an der Bar hockten Männer vor ihrem Ale, an den Tischen im hinteren Bereich saßen Touristen und einheimische Familien beim Mittagessen, im Hauptbereich trafen sich, wie es schien, hauptsächlich Rentner. Quer über dem Eingang hingen die acht gewaltigen Glocken von der Decke, denen der Pub seinen Namen verdankte.
James verzog beim Blick auf die Karte das Gesicht. »Selbstbedienung. Schon wieder. Gibt es gar keinen Service mehr?«
Sheila stand auf. »Ach, James, seien Sie doch nicht so altmodisch. Was wollen Sie haben?«
James sah zur Kaffeebar und überlegte, ob er mitkommen
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