Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst
wird Maddison von William natürlich kein Geld verlangt haben. Aber es wäremöglich, dass er das Ganze in größerem Rahmen betrieb. Das würde auch seine Geheimnistuerei erklären. Dass er sich dieser Frau gegenüber als Mr Sniper vorgestellt hat. Und die Sache mit dem Taxi. Dass er es immer außer Sichtweite von Eaglehurst bestellt hat. Und dass er die anderen hat glauben lassen, er sei dement. Die Narrenkappe war die perfekte Tarnung. Niemand hätte je Verdacht geschöpft, wenn er Maddison an seltsamen Orten gesehen hätte. Es war ganz normal, dass er fortging und niemand wusste, wohin.«
James blickte auf seine Armbanduhr. »In zehn Minuten sind wir mit unserem Taxifahrer verabredet.«
Sie machten sich schweigend auf den Weg, jeder in seine eigenen Gedanken versunken.
»Jedenfalls wird das Bild langsam rund«, sagte Sheila voller Optimismus, als sie in der Fußgängerzone angekommen waren.
»Wieso langsam?«, fragte James missmutig. »Für mich ist die Sache rund genug. Der Chemieprofessor hat William geholfen, seine Frau von ihrem Leiden zu erlösen. Damit haben wir auch eine Erklärung dafür, warum William nach Eaglehurst ging: Wahrscheinlich sah er nach Heathers Tod keinen Sinn mehr in seinem Leben. Er wollte sich das Leben nehmen, aber seine Familie nicht damit belasten. In Eaglehurst aber war sein alter Freund Thomas Maddison, der ihm helfen konnte.«
»Na gut, das wäre eine Erklärung«, sagte Sheila. »Aber warum starb Maddison?«
»Vielleicht war das wirklich Zufall, oder er hat tatsächlich einen Fehler bei der Einnahme seiner Medikamente gemacht.«
»Aber was hat Thomas Maddison überhaupt nach Eaglehurst geführt? Warum ausgerechnet Eaglehurst? Warum ist er nicht in Schottland geblieben? Warum ist er so weit weggezogen?«
James zuckte die Schultern. »Was weiß ich, vielleicht wegen des Klimas.«
»Aber würden Sie sich ausgerechnet in Hastings niederlassen, James?« Sheila wartete nicht auf seine Antwort. »Genau«, fuhr sie fort, »ich auch nicht. Na ja, Sie kennen mich, ich würde nie aus London wegziehen, aber selbst wenn ich müsste, ginge ich als Rentner ganz bestimmt nicht nach Hastings. Für Rentner ist Brighton ideal. Oder meinetwegen eines dieser kleinen Nester in Kent, wie Hythe. Und die nächste Frage wäre: Warum hat er sich in Eaglehurst einquartiert, in einem Altenheim? Er war noch gut in der Lage, sich selbst zu versorgen. Nein, ich glaube, er hat ganz bewusst ein Altenheim gewählt. Überlegen Sie doch mal: Wenn Sie den Sinn Ihrer alten Tage darin sehen würden, für möglichst viele Menschen den Todesengel zu spielen, wäre dann nicht ein Altenheim das Paradies? Überdies hat ihm die Nähe zu Dover und Folkestone erlaubt, seine Medikamente auch ins Ausland zu vertreiben.«
»Ach Sheila, das ist doch jetzt alles völlig egal. Was immer Maddison bewogen hat, nach Hastings zu gehen, was immer er getan oder nicht getan hat, er ist tot. Beide sind tot. Lassen wir den beiden ihren Frieden. Es führt zu nichts, weiter nachzugraben.«
Sheila blieb stehen. »Sie wollen jetzt aufgeben? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, James. Mein Gefühl sagt mir, dass mehr dahintersteckt.«
»Und
mein
Gefühl sagt mir, dass ich gleich, nachdem wir zurückgekehrt sind, meine Sachen packen werde.«
Entschlossen schob James mit seinem Rollator weiter die Fußgängerzone entlang. Es hatte angefangen zu regnen. Sheila holte einen Schirm aus ihrer Handtasche, spannte ihn auf und hielt ihn über James.
»Lassen Sie das«, sagte er unwirsch.
»Wollen Sie sich eine Lungenentzündung einfangen?«
»Das ist meine Sache.«
Auf dem Parkplatz des Supermarktes angekommen, machte James Halt. An ihrem Taxi wienerte ein Mann von der Auto-Putzkolonne der Firma McBride herum. Der Taxifahrer war noch nicht in Sicht.
»James, warum sind Sie so sauer?«
»Hören Sie auf, mit dieser penetranten Psychotherapeutenstimme auf mich einzureden. Die Sache ist vorbei, das ist alles.«
»Warum sind Sie so sauer?«, wiederholte sie ungerührt. »William hat sich nicht von Ihnen verabschiedet, bevor er sein Leben beendete. Ist es das? Sie sind gekränkt, weil Sie vor vollendete Tatsachen gestellt wurden.«
»Blödsinn. William und ich hatten nicht diese Art von Freundschaft. Wir haben uns nicht gegenseitig das Herz ausgeschüttet wie beste Freundinnen.«
»Haben Sie schon mal eine Therapie gemacht, James?«
Er sah sie entgeistert an. »Was?«
»Ich aber. Und ich habe etwas Wichtiges dabei gelernt: Geh dorthin,
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