Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst
können.«
»Verdammt!«, rief James. »Machen Sie das rückgängig! Sofort! Ich darf jetzt nicht einschlafen! Ich muss noch etwas erledigen! Es ist wichtig!«
»Sie sind überfallen worden, stehen unter Schock und brauchenjetzt Schlaf. Morgen ist auch noch ein Tag«, sagte der Arzt und gähnte.
»Was ist mit dem Kerl, der uns überfallen hat? Haben sie ihn?«
»Keine Ahnung.«
»Ich muss wenigstens noch jemanden anrufen. Geben Sie mir bitte mein Telefon! Es ist in der Manteltasche, sie liegt da vorn auf dem Stuhl.«
»Na gut.« Der Arzt durchsuchte die Manteltasche.
»Bitte beeilen Sie sich!«, sagte James, der fühlte, wie er müde wurde.
»Immer mit der Ruhe. Soll ich eine Nummer für Sie wählen?«
»Ja.« James fiel ein, dass er die Nummer von Eaglehurst nicht auswendig wusste und sie auch nicht in seinem Handy eingespeichert war. »Nein, lassen Sie sich über die Auskunft mit der Seniorenresidenz Eaglehurst verbinden.« Er fühlte, wie seine Augen schwer wurden. »Geben Sie mir bitte ein Mittel gegen diese Müdigkeit. Dieser Anruf ist sehr wichtig!«, sagte er.
Der Arzt, der die Nummer der Auskunft bereits gewählt hatte, gab ihm ein Zeichen, dass er durchgekommen war. »Guten Abend, verbinden Sie mich bitte direkt mit der Seniorenresidenz Eaglehurst in Hastings.« Er reichte James den Hörer.
»Na endlich«, murmelte James. Während es wieder und wieder klingelte, wurden James’ Augen schwerer. Er dachte an die langen Zähne von Peabody, der wiehernd lachte, die grünen Schals, die plötzlich lebendig wurden und sich um den Hals von Mrs White schlängelten, und an die roten Punkte auf dem blassen Arm von Katie. Die Stimme von Mrs White riss ihn aus seinen Gedanken, in die sich die ersten Traumbilder gemischt hatten. »Guten Tag und herzlich willkommen. Sie sind verbunden mit der Seniorenresidenz Eaglehurst. Helfen mit Herz und Hand – das ist unser Leitspruch. Leider können Sie uns momentan nicht persönlich erreichen. Doch wenn Sie unsnach dem Signalton Ihren Namen und Ihre Telefonnummer hinterlassen, rufen wir Sie gern zurück. Danke.«
»Mrs White, es ist wichtig, hören Sie zu …« Wieder tauchten Traumbilder auf, diesmal wiegten sich die magnetischen Ziegen Kopf an Kopf zum langsamen Walzer von
Are you lonesome tonight
. Das Piepsen des Anrufbeantworters brachte ihn wieder zurück in die Wirklichkeit. Er zwang sich, die Augen wieder aufzureißen und sich auf das zu konzentrieren, was er noch sagen musste. »Katie …«, stieß er hervor, »sperren Sie sie ein, lassen Sie sie nicht aus den Augen heute Nacht, hören Sie? Es ist wichtig …«
Das Handy fiel ihm aus der Hand. Er wollte danach greifen, aber seine Augenlider senkten sich, er war machtlos dagegen. Er fror, und das Letzte, was er wahrnahm, war, wie jemand die Decke bis zu seinem Kinn hochzog.
Als er aufwachte, sah er das Gesicht von Mrs White über sich. Er schloss die Augen. Dann öffnete er sie wieder. Mrs White blickte ihn böse an.
»Wie viel Uhr ist es?«, fragte er heiser. Sein Mund war trocken.
»Bald zehn.«
»Das verdammte Schlafmittel.« James versuchte sich aufzurichten. »Wie geht es Sheila?«
»Ihrer Bekannten? Den Umständen entsprechend gut, sagte man mir. Mr Gerald, wie konnten Sie das nur tun?«
»Was?«
»Meine Tochter von der Polizei abholen lassen, als wäre sie eine Verbrecherin.«
»Was sagen Sie?«
»Tun Sie nicht so erstaunt! Sie haben doch die Polizei verständigt, oder etwa nicht?«
James antwortete nicht. Er erinnerte sich wieder an das, was er gestern unbedingt noch hatte sagen wollen, bevor ihn das Sedativum in den Tiefschlaf versetzt hatte.
»Diese Schande, Mr Gerald, warum tun Sie mir so etwas an!« In Mrs Whites Augen standen Tränen. »Die Beamten kamen mitten während des Balls. Mrs Simmons brachte gerade die Eisbombe mit den Wunderkerzen rein, und direkt hinter ihr marschierten diese beiden Polizisten und nahmen meine Tochter vor aller Augen fest wie eine Schwerverbrecherin. Es war so entsetzlich peinlich. Ich habe mich in Grund und Boden geschämt.«
»Verdammt!« James dachte nach. Sein Kopf schmerzte, aber es war nicht mehr so schlimm wie gestern. »Mrs White«, sagte er, während er sich mühsam aufsetzte, »nehmen Sie bitte meine Sachen aus dem Schrank und legen Sie sie hier aufs Bett. Während ich mich anziehe, holen Sie mir bitte eine Packung Zigaretten.«
»Ich fasse es nicht!«, rief Mrs White aufgebracht. »Ich erzähle Ihnen, dass meine Tochter verhaftet
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