Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst
versuchte, an seine unter dem Jackett verborgene Pistole zu gelangen, und zerrte am Mantel, dass die Knöpfe absprangen. Doch da traf ihn der Baseballschläger auch schon hart in die Seite, und er ging japsend zu Boden. Ein weiterer Schlag traf Sheila, die lautlos neben ihm niedersank. James sah die schmale Blutspur, die aus ihrem Ohr rann. Das Dröhnen in seinem Kopf wurde unerträglich. Der Kerl würde so lange auf sie einprügeln, bis sie beide tot waren. Doch die Wut gab ihm neue Kraft. Als der Angreifer erneut zuschlug, gelang es James, sich im letzten Moment zur Seite zu rollen. Sein rechter Arm schmerzte dabei so höllisch, dass er beinahe das Bewusstsein verlor. Beim nächsten Versuch wurde die vermummte Gestalt vom Scheinwerferkegel eines Autos angeleuchtet. Sofort ließ der Angreifer den Baseballschläger sinken und bückte sich, so als wolle er zwei alten Leuten, die hingefallen waren, auf die Beine helfen. Der Wagen hielt neben ihnen an, das Fenster auf der Fahrerseite wurde heruntergekurbelt, und eine männliche Stimme fragte: »Brauchen Sie Hilfe?« Bevor James antworten konnte, holte der Angreifer aus und zerschlug die Heckscheibe des Autos. Der Autofahrer gab Vollgas und jagte mit quietschenden Reifen davon. James war klar, was der Angreifer damit bezweckte: Er wollte sein Vorhaben unter allen Umständen zu Ende führen. Zwar würde der Autofahrer die Polizei alarmieren, aber bevor die kam, wären Sheila und er längst tot und der Täter geflüchtet. James nutzte den kurzen Moment der Ablenkung, streckte den unverletzten linken Arm aus und zog den Rollatorzu sich. Mit einer Hand über den Schläger streichend trat der Vermummte auf James zu – wie eine Spinne, die ihre Beute im Netz gefangen weiß. James hielt die Luft an, schloss die Augen und drückte mit der linken Hand so fest er konnte auf alle Knöpfe seines Rollators. Es zischte laut, James hörte einen dumpfen Aufschrei, und der Baseballschläger fiel neben ihm zu Boden. Hustend und würgend verschwand der Angreifer in der Dunkelheit.
James kroch zu Sheila hinüber, die reglos auf der Seite lag, und fühlte nach ihrem Puls. Er war vorhanden, wenn auch schwach. Sie atmete. Er streichelte ihr über die kalte Wange. Sie war nass von Blut. »Sheila, lassen Sie mich jetzt nicht allein!«, sagte er leise. »Was soll denn aus mir werden ohne Sie! Sheila, Sie haben uns beiden das Leben gerettet. Das Spray im Rollator war eine grandiose Idee. Das Gas hat ihn fertig gemacht. Sheila, machen Sie jetzt bloß nicht schlapp, hören Sie. Der Krankenwagen kommt jeden Augenblick. Ich weiß, ich weiß, Sie wollen natürlich nicht ins Krankenhaus, aber was sein muss, muss sein. Und wenn es Sie beruhigt, ich komme diesmal mit. Die flicken uns schon wieder zusammen, und dann geht es zurück nach Hampstead. Bald ist Frühling, und wir genießen vom Parliament Hill aus den herrlichen Blick auf London. Hatten Sie nicht neulich erwähnt, dass Sie lange nicht mehr im Victoria & Albert Museum waren? Das wäre doch für zwei Alte wie uns was, ein Tag im V & A. Nächsten Sonntag, oder vielleicht lieber übernächsten Sonntag. Denken Sie auch an Ihre Pflanzen. Die brauchen Sie, dieser junge Bursche von gegenüber kann sich nicht ewig um sie kümmern. Auch nachbarschaftliche Gutmütigkeit hat ihre Grenzen, nicht wahr?« Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis endlich der Rettungswagen kam. James redete so lange auf sie ein und streichelte ihre Wange, bis Sanitäter sie umringten.
Kapitel 25
James fluchte leise. Nicht wegen der Schmerzen, sondern weil seine Verletzungen ihn außer Gefecht setzten. Nach der medizinischen Erstversorgung war auch er ins Conquest Hospital eingeliefert worden. Wie er vermutet hatte, war sein Arm gebrochen. Die Schmerzen beim Atmen rührten von zwei angebrochenen Rippen.
»Sagen Sie mir, was ist mit Mrs Humphrey?«, fragte er angespannt. »Ist es schlimm?«
»Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte der Arzt.
»Das ist keine Antwort«, sagte James. »Wie schwer ist sie verletzt?«
»Gehirnerschütterung. Die Computertomografie ist ohne Befund, aber wir müssen abwarten, ob es nicht doch noch zu einer Gehirnblutung kommt. Nach einer massiven Einwirkung auf den Kopf passiert das manchmal. Aber malen wir den Teufel nicht an die Wand. Sie schläft jetzt. Genau wie Sie es gleich tun werden.«
»Wieso?« James sah den Arzt alarmiert an.
»Ich habe Ihnen ein Sedativum gespritzt«, sagte der Arzt mit Gönnermine. »Damit Sie in Ruhe schlafen
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