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Nullpunkt

Nullpunkt

Titel: Nullpunkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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sein.
Und doch hatte es genau das getan. Während Gonzalez keuchend neben Phillips in Stellung ging, beobachtete er, wie das Ding kurz innehielt und sie aus gelben Augen kalt und erbarmungslos anstarrte, bevor es sich wieder in Bewegung setzte und lautlos näher kam.
    «Marcelin!», rief Gonzalez. «Jetzt! Hören Sie, Mann?
Jetzt!
»
    Keine Antwortet aus dem Antriebsraum.
    «Marcelin,
legen Sie den gottverdammten Hebel um
!
»
    War das das leise Summen des Transformators, als der Strom zu fließen anfing? Es war schwer zu sagen. Sein Atemhechelte wild, und der schmerzhafte Druck füllte schon wieder seinen Schädel aus. Die Kreatur kroch weiter auf sie zu. Gonzalez ging in die Knie, und der Kolben seines M-16 schlug ihm gegen die Wange. Er versuchte zu zielen, doch der Lauf der Waffe hob und senkte sich mit seinem Herzschlag. Die Kreatur bewegte sich jetzt schneller.
    «Oh mein Gott», sagte Phillips leise mit einer Stimme, die halb Gebet, halb Wimmern war. «Mein Gott. Mein Gott …»
    Ein weiterer Schritt. Noch einer. Die Kreatur wandte nicht einmal den Bruchteil einer Sekunde den Blick von den beiden Männern. Sie blinzelte nicht, sie zögerte nicht. Dieser Blick hatte etwas so Entsetzliches, Grauenvolles, dass Gonzalez spürte, wie er vor Angst erschlaffte. Es gelang ihm nur mit Mühe, die Waffe festzuhalten und sie nicht aus den kraftlos gewordenen Fingern zu Boden poltern zu lassen.
    Dann erreichte das Wesen die Wasserlache. Es zögerte kurz, doch dann schob es sich zwischen den herunterbaumelnden Drähten hindurch.
    Für einen Moment geschah nichts. Dann hallte ein gewaltiges, ohrenbetäubendes Krachen durch den Gang. Grelle Blitze zuckten von einem Draht zum nächsten, tanzten über die massiven Hüften der Kreatur, und Hunderte sich verzweigender Ausläufer leckten über die Decke. Die Luft stank nach Ozon. Gonzalez spürte, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten. Grauer Qualm stieg in wütenden Wolken zur Decke, füllte den Korridor aus, hüllte die Kreatur ein, bis sie nicht mehr zu sehen war. Ein schrilles Heulen ertönte, als der Transformator mehr und mehr Strom zu ziehen versuchte. Die Beleuchtung flackerte einmal, zweimal, gefolgt von einem hohlen Knall, als der Transformator durchbrannte. Auf einen Schlag lag der Korridor in pechschwarzer Dunkelheit.
    «Mein Gott», wiederholte Phillips noch immer tonlos wie ein Mantra. «Mein Gott.»
    Die Beleuchtung flammte wieder auf. Ein zweiter Transformator hatte sich automatisch eingeschaltet. Die Drähte zuckten und tanzten und versprühten einen Funkenregen. Gonzalez spähte aus zusammengekniffenen Augen in den Vorhang aus Rauch, suchte verzweifelt einen Blick auf das Ding zu erhaschen. Es musste tot sein, es
musste
einfach. Nichts konnte so etwas überleben …
    Der Kopf der Kreatur schob sich durch den Rauchvorhang. Gonzalez keuchte erschrocken, packte seine Waffe fester. Allmählich lichtete sich der Rauch, und mehr und mehr von ihr wurde sichtbar. Schwarze Brandspuren bedeckten ihren hohen Widerrist. Für einen Moment verharrte sie so still wie der Tod.
    Und dann öffnete sie das Maul.
    Im Antriebsraum begann Marcelin zu schreien.
    Der Kopf der Kreatur schwenkte herum in Richtung des Geräuschs. Für einen kurzen Moment stieg sie auf die kraftvollen Hinterläufe wie ein scheuendes Pferd, dann wandte sie sich zur Tür und verschwand langsam, zielstrebig in den Raum dahinter. Gonzalez sah hilflos zu, außerstande, sich zu rühren, außerstande zu handeln, während sein Herzschlag im Gleichtakt mit Marcelins schriller und schriller werdenden Schreien raste.

44
    «Was war das?» Conti wirbelte herum, und die Kamera wackelte bedrohlich auf seiner Schulter.
    Wieder hielten alle drei inne und lauschten.
    Wolff neigte den Kopf zur Seite. «Ich kann nichts hören», sagte er. «Das ist jetzt das dritte Mal, dass Sie das getan haben.»
    «Ich sage doch, ich habe etwas gehört! Jemand hat gerufen, glaube ich. Oder geschrien.» Conti deutete den Gang hinunter. «Es kam aus dieser Richtung.»
    Kari Ekbergs Blick folgte dem ausgestreckten Finger des Regisseurs. Das Ende des Korridors verschwand in tiefschwarzer Dunkelheit. Sie erschauerte in der feuchtwarmen Luft.
    Seit einer halben Stunde suchten sie nach Gonzalez und den Soldaten – bisher wenig erfolgreich. Zuerst hatten sie es oben im Bereitstellungsraum versucht – und ihn verlassen vorgefunden. Anschließend waren sie in immer weiteren Kreisen durch den zentralen Abschnitt gestreift. Je mehr Zeit vergangen

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