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Nullpunkt

Nullpunkt

Titel: Nullpunkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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neuen Gäste der Basis hatten ihm nicht im Geringsten weitergeholfen.
    Es fiel ihm schwer, zu glauben, dass seit der Entdeckung des Urtieres erst eine Woche vergangen war. Insgeheim wünschte er sich fast, sie hätten dieses Ding niemals gefunden. Die hektische Aktivität um ihn herum machte ihn unglücklich, sie unterschied sich so grundlegend von der vorsichtigen, besonnenen Vorgehensweise der Wissenschaftler. Er war unglücklich über die Heimlichtuerei des Filmteams, was die Einzelheiten ihres Projekts anging. Und er war ganz besonders unglücklich über die Ablenkung, die all das darstellte, und über die Art und Weise, wie seine Arbeit von so vielen Leuten behindert wurde, die ihm ständig im Weg herumsprangen. Das Zeitfenster der Expedition hier draußen auf dem Eis schloss sich. Das einzig Gute an der Hektik, sinnierte Marshall, war die Tatsache, dass das Filmteam desto schneller wieder von hier verschwinden würde, je schneller es seine Arbeit zum Abschluss brachte.
    Er passierte den Sno-Cat und betrat das Lager. Ein Mitglied der Filmcrew kam mit einem langen Metallträger über der Schulter vorbei, und Marshall musste sich hastig ducken, um die Stange nicht gegen den Schädel zu kriegen. Der Eingang zur Basis war verdeckt von einer Traube Angestellter von Terra Prime, die ihm den Rücken zugewandt hatten. Als er den Kühlbehälter auf dem Boden abstellte und den Deckelöffnete, um seine Proben zu kontrollieren, konnte er ihre unzufriedenen Stimmen hören, die sich beschwerten.
    «Das ist der schlimmste Set, an dem ich je gearbeitet habe!», sagte eine Stimme. «Und ich habe schon auf jeder Menge Anlagen gearbeitet!»
    «Ich friere mir noch den Arsch ab», sagte eine zweite Stimme. «Buchstäblich. Ich schätze, ich habe schon Frostbeulen.»
    «Was denkt sich Conti nur dabei? Einfach hierherauf zu kommen, mitten ins Nichts, und alles nur wegen eines toten Stücks Fell!»
    «Und all diese Langweiler, die uns vor den Füßen herumlaufen und uns bei der Arbeit an unserem Set stören!»
    Unserem Set
, dachte Marshall mit einem freudlosen Lächeln.
    «Wo wir gerade von Herumlaufen reden – habt ihr das Gerede von Polarbären gehört? Wenn wir uns hier nicht zu Tode frieren, fressen sie uns wahrscheinlich auf.»
    «Wir sollten eine Gefahrenzulage verlangen.»
    «Dieser Set stinkt zum Himmel. Der Wasserdruck ist furchtbar. Und der Küchenservice ist unter aller Kanone. Ich bin an frisches Essen gewöhnt. Ananasscheiben, Kanapees, Sandwichs, Sushi. Das hier sind doch nur Gefängnisrationen: Dosenbohnen, Hotdogs, tiefgefrorener Spinat.»
    Auf der anderen Seite der Gebäude ertönten plötzlich Hochrufe. Einen Moment später noch einmal. Marshall schloss den Behälter wieder und trottete los, um nachzusehen.
    Ungefähr ein Dutzend Personen hatten sich vor dem kleinen stählernen Würfel versammelt. Sie gratulierten einander, schüttelten sich die Hände, schlugen sich auf die Schultern und umarmten sich. Conti, der Regisseur und Produzent, stand ein kleines Stück abseits. Er war klein und dunkelhaarigund trug einen sorgfältig gestutzten Kinnbart. Er beobachtete die feiernde Gruppe mit verschränkten Armen. Neben ihm stand ein Mann namens Wolff, der «Verbindungsoffizier», ein Repräsentant des Senders. Neben Wolff warteten zwei Kameraleute, einer mit einer großen Kamera auf der Schulter, der andere mit einer tragbaren Handkamera. Ein weiterer Mann – der gleiche, der Marshall ein paar Minuten zuvor beinahe verletzt hätte – stand ganz in der Nähe und hielt ein Mikrophon an einem Ausleger. Kabel führten von den Kameras zu einem Apparat an seinem Gürtel.
    Marshall musterte Conti neugierig. Der Ruf des Mannes war ihm vorausgeeilt: seine Dokumentation
Tödliche Meere
, bei der es um Forschungs- U-Boote ging, die bis in die tiefsten Tiefen der Ozeane vordrangen, hatte ein halbes Dutzend Preise und Auszeichnungen gewonnen und lief immer noch in den IMA X-Kinos und in Museen überall im Land. Conti hatte noch eine Reihe weiterer Dokumentationen gedreht, in denen es hauptsächlich um die Natur und Umweltkrisen ging, und alle waren bei Kritikern und Publikum erfolgreich gewesen. Mit seinem Kinnbart, seinem geschäftigen Gehabe und der Weitwinkel-Linse, die wie ein schwarzer Diamant an seinem Hals baumelte, sah er aus wie der Inbegriff des genialen und exzentrischen Regisseurs. Das Einzige, was noch fehlte, sinnierte Marshall, waren ein Megaphon und ein weißes Plastron. Andererseits war dieser Mann nicht nur weithin

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