Nullsummenspiel

Antriebsspulen stand. Während er das Innenleben der Antriebssysteme eines Raumschiffs ansah, ohne dass diese durch Decks und Schotten überlagert wurden, hatte Keer das Gefühl, ein Zauberkünstler zu sein, der seine Tricks nun allen enthüllte.
Rauch und Spiegel … Quanten-Slipstream und Sensoren, die in die Zukunft sehen können – ist das wirklich so ein großer Unterschied?
    Der Antriebsvorarbeiter Tul Jath näherte sich ihm.
»Sir, der Reaktor ist zusammengesetzt und bereit. Wir warten auf Ihren Befehl, die Hauptenergie zu aktivieren.«
    Keer nickte. »Sehr schön.« Dann betrachtete er das Wunder aus Metall, das seine Männer und er gebaut hatten. »Es kommt mir falsch vor, dass unser Vogel sein Nest verlässt, ohne einen Namen zu haben.« Er sah Jath an. »Irgendwelche Vorschläge?«
    Jath machte einen halben Schritt nach hinten und senkte respektvoll den Kopf.
»Ich würde mir eine derartige Ehre nicht anmaßen, Sir. Das sollte Ihr Privileg sein.«
    »Nicht, dass es von Bedeutung wäre«, erwiderte Keer. »Sobald das Militär die Kontrolle über den Prototyp übernimmt, werden sie ihn ohnehin nennen, wie sie wollen. Trotzdem …« Keer drückte die Hand gegen eine der Stützstreben und spürte Stolz und Zuneigung, da seine Schöpfung, an der er so lange gearbeitet hatte, endlich fertiggestellt war.
Ich habe mir vorgenommen, nicht in rührselige Sentimentalität zu verfallen. Aber vielleicht kann ich es mir dieses eine Mal erlauben
.
    »
Marjat
«, sagte er. »Für die Jungfernfahrt taufe ich dieses Schiff auf den Namen …
Marjat
.«
    Jath wirkte verwirrt.
»Ist das ein Name von Bedeutung?«
    »Das geht Sie nichts an«, erwiderte Keer, der nicht den Drang verspürte, sich seinen Untergebenen zu erklären. Seine Vergangenheit hatte sie nicht zu interessieren, und wen außer ihn selbst würde es schon kümmern, dass er dieses Schiff nach seiner geliebten Tochter benannt hatte, die ihm vor so vielen Jahren durch die Seuche auf Resinoor Prime genommen worden war?
Es reicht, dass ich es weiß
, beschloss er. An Jath gewandt sagte er: »Schalten Sie den Antrieb ein.«
    »Ja, Sir«
, erwiderte Jath und gab die Nachricht an seine Kollegen weiter. Ingenieure und Mechaniker setzten den Befehl um, und Keer sah voller Stolz dabei zu, wie die Legionen an Arbeitern in der
Marjat
ihren Teil zu dem präzise geplanten Start des Prototyps beitrugen. Vielleicht hatten sie nur diese eine Gelegenheit, bevor die Zeit ablief. Keer hatte alles in seiner Macht Stehende getan, um dafür zu sorgen, dass ihr erster Versuch erfolgreich verlief.
    Er aktivierte die Komm-Einheit in seinem Helm. »Keer an Ops. Bereit machen zum Initiieren der letzten Diagnostiken und Systemchecks auf meinen Befehl. Bestätigen.« Die Kommunikation verlief schon den ganzen Tag schleppend, aber er weigerte sich, sich damit abzufinden. Nach einigen Sekunden wiederholte er: »Keer an Ops! Bitte melden!«
    Er erhielt keine Antwort und fragte sich, ob die Komm-Einheit in seinem Helm vielleicht eine Fehlfunktion hatte. Zum Test griff er auf das interne Netzwerk zu und sagte: »Keer an Jath.«
    »
Ich höre, Sir
«, antwortete Jath über die Komm-Verbindung.
    »Können Sie die Ops erreichen?«
    »
Augenblick, Sir.«
Einige Sekunden verstrichen, dann sagte Jath: »
Negativ
.«
    Irgendetwas stimmte nicht, da war sich Keer ganz sicher. Er drängte sich durch eine Gruppe Mechaniker, die Kabel zu einer Hilfsschalttafel verlegten, und bahnte sich einen Weg zur Hauptkonsole. »Weg da«, sagte er zu den Technikern, die daran arbeiteten. Er gab Befehle in die Holomatrix ein und überprüfte die Firmware der Komm-Verbindungen und -Relais in der Ops der Schiffswerft. Alles war aktiv. Er verband seinen Helm mit der Hauptkonsole der
Marjat
. »Keer an Ops.«
    Immer noch keine Antwort. Er bekam Angst, und ihm wurde flau im Magen.
Bleib ruhig
, sagte er sich.
Schick jemanden zur Ops und lass dir bestätigen, dass es nur eine Komm-Fehlfunktion ist. Wenn du in Panik gerätst und grundlos Alarm schlägst, wird die Arbeit am Schiff eingestellt und wir liegen nicht mehr im Zeitplan. Das darf nicht passieren
.
    Es war die vernünftigste Vorgehensweise, aber sein Gewissen und seine Ausbildung als Ingenieur drängten ihn dazu, anders zu reagieren.
Wenn es einen wirklichen Notfall gibt und ich zu spät Alarm schlage, könnte ein Unfall passieren. Die
Marjat
könnte beschädigt werden. Meine Arbeiter könnten sterben. Und alles, wofür ich gearbeitet habe … wäre verloren
.
    Dann traf