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Nullzeit

Nullzeit

Titel: Nullzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Zeh
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Slowene und baute seit zwanzig Jahren Wein in der Region La Geria an. »Ein Glas zum Lockermachen?«
    »Gute Nacht.« Ich wandte mich zum Gehen.
    »Jola war hier«, sagte Antje.
    Ich blieb stehen. Wenn es um eine Kundin ging, war das etwas anderes. Todd lag vor der Couch und klopfte mit dem Schwanz auf den Boden, als wir uns setzten. Antje schenkte ein zweites Glas Wein ein, reichte es mir und hielt mir ihres zum Anstoßen hin. Ständig war sie der Meinung, ich müsste mich »locker machen«. Überhaupt schien sie zu glauben, dass Menschen nur nach entsprechender Auflockerung miteinander umgehen konnten.
    »Und was hat Theo so erzählt?«, fragte sie.
    »Du wolltest mir sagen, warum Jola hier war.«
    Antje schaute zum Fenster, wo es nur schwarze Nacht zu sehen gab. Sie bückte sich, um Todd den Kopf zu tätscheln, und wischte ein paar Fusseln von der Sofalehne. Eine Sekunde lang glaubte ich, sie habe Jolas Besuch erfunden, um mich davon abzuhalten, ins Bett zu gehen. Dann begann sie doch noch zu sprechen.
    Irgendwie habe sich Jola beim Lernen gelangweilt und sei irgendwie auf einen Sprung herübergekommen, und weil Antje sowieso gerade den Thunfischsalat fertig hatte, sei Jola dann irgendwie zum Essen geblieben. Man habe eine Flasche von Nenad aufgemacht und sich irgendwie ganz gut unterhalten.
    Ich bat sie, nicht dauernd das Wort »irgendwie« zu benutzen.
    Erst habe Jola erzählt, wie gut ihr das Tauchen gefalle und wie wichtig es für sie sei, das »Mädchen auf dem Meeresgrund« zu werden. Insgesamt scheine sie an einem heftigen Lotte-Hass-Tick zu leiden, was wahrscheinlich auf eine Art beruflicher Torschlusspanik zurückzuführen sei. Nach dem Motto: Wenn ich diese Rolle nicht kriege, dann war’s das für immer. Antje habe interessant gefunden, dass sich eine Frau wie Jola, die dermaßen erfolgreich und selbstbewusst wirke, in Wahrheit so quäle. Trotz den 384.000 Treffern bei Google habe Jola offensichtlich mit enormen Ängsten zu kämpfen.
    Ich registrierte, dass ich nicht der Einzige war, der Jolas Namen bei Google eingegeben hatte, und fragte: »Na und?«
    Irgendwie, fuhr Antje fort, scheine Jola an ihrem gesamten Lebensentwurf zu zweifeln. Sie habe angefangen, davon zu sprechen, dass die Entscheidungen und Taten des Menschen wie Möbelstücke seien, die er in sein Leben stelle. Deshalb könne sich ein Mensch, der Böses tue, niemals in einem schönen Leben wiederfinden, und wenn er noch so reich und berühmt und erfolgreich werde. Aus demselben Grund geschähen gute Taten niemals aus Nächstenliebe, sondern immer nur aus Eigenliebe. Wie man sein Leben führe, sei also kein moralisches, sondern ein ästhetisches Problem. Wobei es Menschen gebe, die sich im Hässlichen wohler fühlten als im Schönen. Denn wer nicht völlig bescheuert sei, werde etwas Schlechtes kaum aus Versehen tun. In diesem Stil sei es noch eine ganze Weile weitergegangen. Jola habe eine Menge merkwürdiger Dinge von sich gegeben.
    Ich fand Jolas Gedankengang erstens nicht merkwürdig und wusste zweitens nicht, warum ich dort saß und mir die Zusammenfassung einer harmlosen Unterhaltung anhörte. Genau das sagte ich Antje.
    Nach kurzem Zögern erklärte sie, dass mit Jola irgendetwas nicht in Ordnung gewesen sei. Sie habe sich ständig umgeschaut, als hocke eine unsichtbare Bedrohung im Zimmer, und mehr als einmal habe es ausgesehen, als wollte sie weinen.
    Jetzt kam also der Teil, in dem sie weibliche Intuition für sich in Anspruch nahm, um nicht von konkreten Tatsachen abhängig zu sein. Meine Unlust steigerte sich zu Ärger. Als ich aufstehen wollte, griff Antje nach meinem Arm.
    »Verstehst du nicht«, sagte sie. »Jola hatte Angst.«
    »Und wovor?«
    Antje setzte die Miene eines Psychoanalytikers auf und legte dar, dass es durch die Blume die ganze Zeit um Theo gegangen sei. Dass Jola niemand anderen als Theo gemeint habe, als sie von Menschen sprach, die ihr Leben mit bösen Taten möblierten.
    Ich wollte wissen, ob Theos Name gefallen sei.
    Nein, aber es sei irgendwie klar gewesen, dass sich das Gespräch auf Theo bezog.
    »Schwachsinn«, sagte ich.
    Antje blieb hartnäckig. Jola habe signalisiert, dass sie Hilfe brauche.
    Ich fragte, ob Jola das Wort »Hilfe« verwendet habe.
    Auch das nicht, aber irgendwann habe Jola ganz plötzlich Antjes Hand genommen und wortwörtlich gesagt: Du solltest dem Himmel danken für deinen Sven.
    Mit der weiblichen Neigung zum Psychologisieren war ich noch nie zurecht gekommen. Mithilfe einer

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