Nur dein Leben
Konferenzschaltung einrichten«, sagte die Psychologin, sah Renate Harrison fragend an, und diese nickte zustimmend. »Ich halte das für eine sehr gute Idee.« Dann, wieder mit einem Blick auf die Polizistin, fuhr sie fort: »Welchen Schritt erwarten Sie eigentlich als Nächstes von Ihren amerikanischen Kollegen?«
»Ich glaube«, erwiderte Renate Harrison, »die sind augenblicklich genauso fassungslos wie wir.«
Die Polizistin fuhr bis ans Ende von Caibourne und dann die Allee entlang. Sowohl John als auch Naomi hatten kaum ein Wort gesprochen, nachdem sie die Praxis der Psychologin verlassen hatten. Sie hatten sich beide in ihr Schneckenhaus zurückgezogen und suchten vergeblich nach einem Sinn in der ganzen Geschichte.
DI Pelham hatte ihnen heute erlaubt, nach Hause zurückzukehren und vorgeschlagen, dass Renate Harrison ein paar Tage bei ihnen blieb. In der Nacht würde eine Kollegin sie ablösen und Streifen würden in der Umgebung des Hauses patrouillieren. Er würde sie, so gut es ihm möglich war, schützen.
Sie bogen nach rechts in die Auffahrt ein, und sofort hatte Naomi einen Kloß im Hals. Sie gelangten zu ihrem Haus.
Ihrem
leeren
Haus.
Es war ein schöner Tag, und der Tau glitzerte in der Sonne. Naomi bemerkte kaum den unauffälligen, braunen zivilen Streifenwagen, der neben ihrem Subaru und Johns Saab parkte, besetzt mit einem uniformierten Polizeibeamten, der zu wuchtig für den Wagen wirkte.
Als John die Haustür öffnete, glitten Post und Zeitungen über den Fliesenboden. Naomi schaute auf ihre Armbanduhr. Wie auf Autopilot stellte sie fest: »Kurz vor eins, Zeit für das Mittagessen. Ich – ich – mache uns dann mal etwas zurecht.«
»Soll ich das nicht übernehmen?«, bot Renate Harrison an. »Wenn Sie mir alles zeigen und mir sagen, was Sie gerne möchten?«
John stellte die Reisetasche und seine Laptoptasche ab, hob die Post und die Zeitungen auf, sortierte sie danach, ob sie für ihn und Naomi oder die Hausbesitzer bestimmt war und legte sie auf verschiedene Stapel. Dann ging er in sein Arbeitszimmer, stellte den Computer auf seinen Schreibtisch und ging wieder hinaus, um den Computer der Kinder aus dem Kofferraum zu holen.
Zurück in seinem Arbeitszimmer loggte er sich ein und sah, dass er zweiundsechzig neue E-Mails hatte. Müde ließ er sich auf seinen Bürostuhl fallen und scrollte sie durch.
Plötzlich erstarrte er.
Er lehnte sich nach vorn, die Hände steif über der Tastatur, und starrte auf den Bildschirm. Er traute seinen Augen nicht!
Eine E-Mail von Luke und Phoebe!
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Von:
Luke & Phoebe Klaesson
Betreff:
Sicherheit
Liebe Eltern,
bitte sorgt Euch nicht um uns.
Wir sind an diesem Ort, weil wir Euch für unfähig halten, uns effektiv vor den Aposteln des Dritten Jahrtausends und anderen
fanatischen Gruppen zu schützen, und weil Ihr nicht in der Lage seid, uns eine angemessene Förderung und Erziehung zu bieten – obwohl wir wissen, dass Ihr Euer Möglichstes getan habt und wir Euch dankbar dafür sind.
Verschwendet keine Zeit darauf, den Ursprung dieser E-Mail nachzuvollziehen – wie jeder Computerfachmann Euch bestätigen wird, würde es Euch Jahre kosten. Wir sind in Sicherheit, uns geht es gut, und zum ersten Mal im Leben sind wir glücklich, mehr braucht Ihr nicht zu wissen.
Ihr könnt auf diese Mail nicht antworten. Wenn Ihr Euch mit uns treffen wollt, werden wir Euch einen Besuch gewähren, weil wir glauben, dass Ihr als unsere leiblichen Eltern dies verdient habt. Wir wissen, dass es schwer zu glauben ist, aber wir lieben Euch durchaus – wenn auch auf unsere eigene Art und Weise, die Ihr nicht verstehen könnt.
Für Euch sind zwei Plätze für den Alitalia Flug Nummer 275 reserviert, der heute Abend um 18 : 10 Uhr ab London Heathrow geht. In Rom werdet Ihr ein Taxi zum Hotel Anglo Americano nehmen und in dem für Euch reservierten Zimmer auf weitere Anweisungen warten. Kommt allein, bringt keine Kamera mit. Falls Euch jemand begleitet oder folgt, wird es in Rom keine weiteren Anweisungen für Euch geben.
Als Beweis dafür, dass es uns gutgeht, haben wir ein kurzes Video angehängt.
Eure Kinder,
Luke & Phoebe
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AUF EINEM COMPUTERMONITOR in einem Zimmer des Polizeihauptquartiers Sussex standen Luke und Phoebe Arm in Arm nebeneinander. Sie schienen sich in einem kleinen Studio mit eintönig grauem Hintergrund zu befinden, das nichts über ihren Aufenthaltsort verriet. Luke trug ein Sweatshirt, Jeans und Turnschuhe, Phoebe einen
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