Nur dein Leben
violetten Trainingsanzug und Turnschuhe. Deutlich sichtbar neben ihnen stand ein Fernseher, auf dem die CNN -Morgenschlagzeilen des heutigen Tages zu sehen waren.
Naomi musste sich eingestehen, dass die Kinder glücklich und entspannt aussahen.
»Hallo, Eltern!«, sagte Luke. »Seht ihr? Uns geht es gut!«
»Hallo, Eltern!«, sagte Phoebe. »Es geht uns sogar sehr gut!«
Am Ende des Clips gefror das Bild. Naomi starrte es durch einen Tränenschleier an.
Meine Kinder,
dachte sie.
Luke und Phoebe, meine Babys.
Dann schloss sie die Augen. Sie konnte nicht mehr hinsehen.
Bitte, lieber Gott, mach, dass ich aufwache und feststelle, dass das alles nur ein furchtbarer Albtraum war.
Pelham, Humboldt, Renate Harrison und der Computerfachmann Cliff waren ebenfalls anwesend. Zusammen saßen sie an einem Tisch.
»Wie stehen die Chancen, die E-Mail zurückzuverfolgen, Cliff?«, fragte der Detective Inspector.
Cliff, dessen Kleidung genauso schmuddelig und knittrig war wie beim letzten Mal, sah an diesem Montagnachmittag um halb drei auch genauso müde aus wie am Samstagmorgen um zehn. Er strich sich die Haare mit beiden Händen aus dem Gesicht und sagte: »Also, wenn man eine E-Mail anonym versenden will und weiß, wie, dann bleibt sie auch anonym. Kein Problem.«
»Können Sie uns erklären, wie das funktioniert?«, fragte Tom Humboldt.
Der Computeranalyst stieß ein nervöses Lachen aus, blinzelte heftig den Tisch an und antwortete: »Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Meistens wird die Mail von Server zu Server rund um die ganze Welt geschickt, wobei eine Software unterwegs alle Spuren verwischt. Wenn ich herausfinden soll, woher sie kommt, müssten Sie mich persönlich rund um die Welt reisen lassen, damit ich in jedem Server, die sie durchlaufen hat, nach Spuren von ihr suche.«
»Wie lange würde das dauern?«, fragte Naomi.
»Hm, angenommen, wir würden jeden Server finden, tja …« Wieder stieß er ein nervöses Kichern aus. »Mehrere Monate.« Erneut starrte er den Tisch an, blinzelte hektisch und fuhr fort: »Das ist nicht die Antwort, die Sie gerne hören wollen, oder?«
Dave Pelham lehnte sich nach vorn, stützte die Ellbogen auf dem Tisch ab und legte seine Finger zu einem Spitzbogen zusammen. Das Kinn darauf gestützt, fragte er Humboldt: »Hat das Labor eine Kopie erhalten?«
»Ja, Sir.« Hauptsächlich an John und Naomi gewandt, erklärte der Detective Sergeant: »Die Techniker verbessern den Ton. Aus den Hintergrundgeräuschen versuchen sie, Hinweise auf den Aufenthaltsort der beiden abzuleiten.«
John sah auf seine Armbanduhr, dann erhaschte er Naomis Blick. Bald mussten sie zum Flughafen aufbrechen.
Pelham sagte zu ihnen: »Ich finde wirklich, dass jemand Ihnen diskret folgen sollte.«
Naomi schüttelte unerbittlich den Kopf. »Sie haben doch die Anweisungen gelesen, Detective Inspector. Wir können dieses Risiko nicht eingehen.«
John bemerkte: »Viel Zeit haben sie uns nicht gelassen, stimmt’s?«
»Das ist Absicht«, sagte Pelham. »Das lässt auch uns kaum Zeit, etwas zu organisieren. Na schön, aber wenn wir schon niemanden mitschicken, möchte ich wenigstens Amtshilfe bei der italienischen Polizei beantragen.«
» NEIN !«, entgegnete Naomi heftig. »Bitte lassen Sie uns alles genauso tun, wie die beiden uns aufgetragen haben.«
»Mrs. Klaesson, jetzt möchte ich einmal etwas klarstellen: Wir erfüllen niemals die Forderungen von Entführern.«
»Was heißt hier Forderungen? Sie fordern doch gar nichts. Sie sagen:
Wenn Ihr Euch mit uns treffen wollt
. Was ist daran eine Forderung?«
»Wer auch immer Ihre Kinder entführt hat, handelt offenbar hochprofessionell und perfekt durchorganisiert. Wenn Sie Ihre Instruktionen ohne entsprechende polizeiliche Unterstützung befolgen, würden Sie und Ihr Ehemann ein inakzeptables Sicherheitsrisiko eingehen.«
»Meine Kinder sind mir das Allerwichtigste«, erwiderte Naomi. »Ich pfeife auf die Risiken, wenn es darum geht, sie zurückzubekommen. Bei allem Respekt: Anders zu handeln, als sie uns in ihrer E-Mail bitten, das würde ich als inakzeptables Risiko bezeichnen.«
118
LANGSAM UND STETIG SANK DIE MASCHINE. Naomi umklammerte eine leere Wasserflasche. Ihr Tischchen war noch immer heruntergeklappt. Starke Kopfschmerzen quälten sie, die auch zwei Paracetamol nicht hatten lindern können.
John hatte ein Wissenschaftsmagazin aufgeschlagen, aber die Seite seit einer Stunde nicht umgeblättert. Wie hätten sie sich auch auf irgendetwas
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