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Nur dein Leben

Nur dein Leben

Titel: Nur dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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Klinik Dr. Dettores zu gehen. Und den Moment – unfassbar, dass er schon acht Jahre her ist –, in dem ich John und Dr. Dettore im grellen Sonnenlicht auf dem Gartenweg folgte. Den Moment, in dem ich mich niederkniete, den Stein aufhob und ihn warf.
    Ich sehe mir das Band wieder und wieder an, um zu analysieren, was ich vorhatte. Wollte ich ihn töten? Oder habe ich den Stein nur geworfen, um meinen inneren Druck abzubauen?
    Teilweise hoffe ich, dass Letzteres zutrifft, aber mein Gewissen sagt mir etwas anderes. Das ist, wie Luke und Phoebe es formuliert haben, einer der Fehler von uns Erzeugern. Ein Fehler, der unsere Spezies definiert. Sie haben uns vorgeworfen, dass wir emotional nicht mit dem technischen Fortschritt mithalten könnten. Wir stehen kurz davor, mit Lichtgeschwindigkeit zu reisen und haben so viele andere Dinge entwickelt, die sich unsere Vorfahren nie träumen ließen, haben aber nicht gelernt, wie wir den Hass in unseren Herzen besiegen können. Noch lösen wir Probleme dadurch, dass wir einander mit Steinen bewerfen. Was soll ich dagegenhalten? Wie kann ich die Ausgaben der Morgenzeitungen herunterladen, über die schlimmen Ereignisse lesen, die überall in der Welt geschehen und meinen Kindern gegenüber behaupten, sie hätten Unrecht und wir hätten inzwischen gelernt, anders mit unseren Aggressionen umzugehen?
    Dies ist mein erster Tagebucheintrag nach langer, langer Zeit. Ich hatte einfach die Lust am Schreiben verloren. Ich hatte zu nichts mehr Lust. Nach jahrelanger Therapie fühle ich mich jetzt wieder stärker. Vielleicht bin ich allmählich auf dem Wege der Besserung. John und ich reden kaum noch über damals, als hätten wir die unausgesprochene Abmachung getroffen, die Vergangenheit hinter uns zu lassen und uns nur noch auf die Zukunft zu konzentrieren.
    Als Kind wird einem eingetrichtert, dass die Eltern immer recht haben, dass man von ihnen lernen und das Erlernte an seine eigenen Kinder weitergeben sollte. Es ist ein seltsames Gefühl, zu erkennen, dass die Welt nicht mehr so funktioniert, wie man es gewöhnt war.
    Keiner von uns weiß, was die Zukunft bringen wird. Vielleicht könnten wir dieses Wissen auch gar nicht ertragen. Wir haben Träume, in die wir uns flüchten. Träume, die wir in unseren Herzen tragen. In meinen Träumen ist Halley gesund und munter und wächst heran. Er, John und ich unternehmen gemeinsam Ausflüge und sind glücklich. Wir fahren in Urlaub, besuchen Themenparks und Museen, spielen im feinen weißen Sand am Meer, treiben Unfug und lachen viel. Und dann wache ich auf.
    Manchmal, wenn meine Erinnerung mir freundlich gesinnt ist, erscheint es mir wie ein Traum, dass ich den Stein nach Dr. Dettore geworfen habe. Doch die meiste Zeit erlebe ich diesen Augenblick in jeder Stunde eines jeden Tages erneut. Ich nehme Schlaftabletten, und manchmal tun sie mir den Gefallen und lassen mich schlafen, und wenn sie ganz nett sind, lassen sie mich sogar traumlos durchschlafen.
    Die Tage darauf gehören zu den wenigen, an denen ich ausgeruht aufstehe und das Gefühl habe, dass es etwas gibt, worauf ich mich freuen kann. Ich glaube, das ist wahres Glück – wenn man aufwacht und der Zukunft positiv entgegenblickt, anstatt nur vor der Vergangenheit flüchten zu wollen.
    Ab und zu googele ich Dr. Dettore und auch die Namen Luke und Phoebe Klaesson. Aber nie finde ich etwas. Für die Öffentlichkeit ist Dettore bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen, Ende der Durchsage. Der Ort, an dem wir gewesen sind, irgendwo auf der Südhalbkugel, bleibt verborgen. Nach unserer Rückkehr hat John monatelang mit Hilfe von Google Earth nach der Insel gesucht, sie aber nie gefunden.
    Die Polizei hat ebenfalls ermittelt, aber genauso erfolglos. Wobei wir ihnen keine große Hilfe waren. Wir haben nicht verraten, dass Dettore noch am Leben war. Wir dachten, wenn das herauskäme, würde ihn früher oder später irgendeine Gruppe von Fanatikern aufspüren – was alle auf der Insel in Lebensgefahr bringen würde. Trotz allem lieben John und ich unsere Kinder. Wir sind ihre Eltern, wir werden sie immer lieben. Ich sorge mich die ganze Zeit um sie. Wie sie zurechtkommen, ob sie weiterhin gesund sind … Und die Angst verlässt mich nie, dass wir es möglicherweise niemals erfahren würden, falls ihnen etwas geschähe.
    Wir haben beschlossen, keine weiteren Kinder mehr zu bekommen. John hat sich in seine Arbeit vergraben, ich engagiere mich bei einer Reihe von lokalen

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