Nur dein Leben
ein Wort nach dem anderen, antwortete John: »Nein. Er.. Er is... Ich versuch’s … morgen früh noch mal.«
So ein Mist. John schloss die Augen. Sie weinte. »Ich komme, Schatz … Ich … bin auf dem Weg nach Hause.«
»Lass das Auto stehen, John. Ich hole dich ab.«
»Ich könnte … mit dem Taxi … Taxi fahren.«
Nach einer kurzen Pause erwiderte sie, jetzt schon mit ruhigerer Stimme: »Nein, ich komme dich abholen. Wir können es uns nicht leisten, Geld für Taxifahrten zu verpulvern. Unterwegs holen wir uns dann irgendwo etwas zu essen. In zwanzig Minuten bin ich bei dir.« Sie legte auf.
John saß reglos da. Er fühlte sich mies und sein Unbehagen wuchs. Irgendetwas fehlte definitiv in seinem Büro, aber was zum Teufel?
Doch das war nicht die Ursache für das miese Gefühl, und es lag auch weder an Dr. Rosengartens Diagnose noch daran, dass Dettore nicht erreichbar war. Er grübelte darüber nach, was er zu der Journalistin gesagt hatte. Was genau war es gewesen? Sie war eine nette Frau, freundlich, sympathisch. Angenehme Gesellschaft. Er spürte, dass er ein wenig indiskret gewesen war, dass er etwas zu viel gesagt hatte, mehr als beabsichtigt.
Aber es war doch vertraulich gewesen, oder?
19
Naomis Tagebuch
Ich kann nicht schlafen. John schnarcht wie verrückt. So betrunken habe ich ihn schon lange nicht mehr erlebt. Warum hat er sich so zugesoffen? Natürlich hat uns Dr. Rosengartens Diagnose erschüttert, aber sich derart zu betrinken nutzt doch überhaupt nichts.
Außerdem hatte er Lippenstift im Gesicht.
Ich habe mit meiner Mutter und mit Harriet gesprochen. Beide haben angerufen und sich erkundigt, wie es heute gelaufen ist. Ich habe gesagt, der Geburtshelfer sei zufrieden gewesen, und alles sei in Ordnung. Harriet hat uns ihre gesamten Ersparnisse geliehen – was hätte ich sagen sollen? Alles ist okay, außer einer winzigen Kleinigkeit, nämlich dass es kein Junge, sondern ein Mädchen ist?
Dabei müssten die Geschlechtschromosomen doch am einfachsten von allen zu manipulieren sein? Frauen haben zwei X-Chromosomen, Männer ein X und ein Y. Diese zu isolieren, schaffen heutzutage schon die primitivsten Labore. Wenn Dettore nicht mal diese Grundlagentechnik beherrscht, welche Sicherheiten haben wir dann in Bezug auf alles andere, was wir mit ihm diskutiert haben?
Und angenommen, alles andere hat geklappt, welche Probleme können sich für ein Mädchen mit den Genen ergeben, die wir ausgewählt haben? Wir haben gebeten, dass unser Kind mindestens einen Meter achtzig groß wird, weil wir an einen Jungen dachten. Wir haben Größe und Körperbau für einen Mann ausgesucht.
Alles läuft falsch.
John ist sich ziemlich sicher, dass Dr. Rosengarten einen Fehler begangen hat. Ich kann den Mann nicht ausstehen, und er zeigte keinerlei Interesse an uns. Wie John es ausgedrückt hat: Wir sind nur kleine Fische für ihn, wir spielen keine Rolle.
Oh Gott, wie sehr ich hoffe, dass er sich geirrt hat!
Aber noch etwas anderes beunruhigt mich. Sally Kimberly. John sagt, sie habe behauptet, wir seien Freundinnen. Quatsch! Es stimmt, dass wir mal zusammengearbeitet haben, und meistens verstehe ich mich gut mit meinen Kolleginnen und Kollegen. Außer mit ihr, denn sie ist ein Miststück. Hart wie Kruppstahl. Wir konnten uns gegenseitig nicht ausstehen und haben kein Geheimnis daraus gemacht.
Tatsächlich kann ich kaum einen anderen Menschen so wenig ausstehen wie Sally Kimberly.
Und jetzt ist ihr Lippenstift in Johns Gesicht.
20
NAOMI WAR WACH. John hörte das leise Klappern ihrer Augenlider, als sie blinzelte. Sein Radiowecker tauchte den Raum in ein grelles, bläuliches Licht, das ihn störte. Draußen in der Ferne heulte eine Sirene, ein vertrautes, trauriges Solo, die dissonante Musik einer Nacht in Los Angeles.
Sein Kopf hämmerte. Er brauchte Wasser, Tabletten, Schlaf. Ja, Schlaf, unbedingt. Er schwang die Beine aus dem Bett, trug sein leeres Glas ins Badezimmer, füllte es mit kaltem Wasser, schluckte zwei Paracetamol und tappte zurück ins Schlafzimmer.
»Was wird aus uns werden?«, fragte Naomi plötzlich, als er sich wieder ins Bett legte.
John suchte nach ihrer Hand, fand sie, drückte sie, aber sein Druck wurde nicht erwidert. »Vielleicht sollten wir darüber nachdenken, die Schwangerschaft abzubrechen – eine Abtreibung?«
»John, mir war es von Anfang an nicht wichtig, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird, ich wollte nur, dass wir ein gesundes Kind bekommen. Mir wäre
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