Nur dein Leben
Adresse oder Telefonnummer:
Hi, John! Es war nett, dich kennenzulernen. Danke, dass du mir das Foto geliehen hast. Alles Gute, Sally Kimberly.
Du Miststück! Du verdammtes Miststück!
Seine Tür öffnete sich und Saul Haranchek trat ein. »Kann ich – äh – kann ich dich einen Moment stören, John?« Verlegen stand er da, wippte auf seinen ausgelatschten Turnschuhen auf und ab und rang die Hände wie ein Unglücksbote.
John sah ihn schweigend an.
»Stille Wasser«, sagte sein Chef. »Ich äh – wir – ich meine, keiner von uns – also – wir hatten ja keine Ahnung, dass du und …« Wieder rang er die Hände. »Weißt du, dein Privatleben ist ja deine Sache, aber ich – jemand hat mir die Zeitung gezeigt –
USA
Today
.« Nervös schüttelte er den Kopf. »Wenn du nicht darüber reden willst, sag es einfach, ja?«
»Ich will nicht darüber reden«, bestätigte John.
Mechanisch nickend wie ein Roboter wandte sich Saul Haranchek wieder zur Tür. »Schon in Ordnung.«
John unterbrach ihn: »Saul – so habe ich es nicht gemeint, aber … Ich nehme an, ich habe meine Chance auf eine Festanstellung vertan, oder?«
Das Telefon läutete wieder.
»Willst du rangehen?«, fragte Haranchek.
John nahm den Anruf an, falls es Sally Kimberly war. Sie war es aber nicht. Es war eine Frau namens Barbara Stratton, die ihn um ein kurzes Telefoninterview bat. Erneut lehnte er gezwungen höflich ab und legte auf. »Ich habe einen idiotischen Fehler begangen, Saul«, gestand er.
»Stimmt es, was in der Zeitung steht? Dass ihr zu Dettore gegangen seid, du und Naomi?«
Das Telefon klingelte wieder. John ignorierte es. »Ja, das stimmt.«
Haranchek stützte sich mit beiden Händen auf einer Stuhllehne ab. »Junge, Junge.«
»Weißt du etwas über ihn?«
»In den Achtzigern war er ein paar Jahre hier an der Universität. Aber ich weiß nicht mehr über ihn als das, was ich über ihn gelesen habe.«
»Hast du einen Überblick über seine Arbeit?«
»Er war ein kluger Kopf, mit einem astronomisch hohen IQ . Aber ein hoher IQ macht einen nicht automatisch zu einem tollen Menschen, nicht mal zu einem guten. Es bedeutet lediglich, dass man sich allen möglichen Scheiß ausdenken kann, zu dem andere nicht fähig sind.«
John sagte nichts.
»Es geht mich natürlich nichts an, und es ist unhöflich von mir, dich danach zu fragen. Aber das Problem besteht darin, dass dieser Artikel deiner Glaubwürdigkeit als Wissenschaftler nicht gerade guttut – und von daher auch nicht unserem Institut.«
»Aber die Wahrheit sieht ganz anders aus, als die Zeitung sie darstellt, Saul. Du weißt doch, wie die alles verdrehen. Die Zeitungen behaupten andauernd, die Wissenschaft sei viel weiter, als sie in Wirklichkeit ist.«
Sein Kollege sah ihn zweifelnd an.
»Möchtest du, dass ich kündige? Läuft es darauf hinaus?«
Haranchek schüttelte energisch den Kopf. »Nein, absolut nicht, kommt gar nicht in Frage. Das Aufsehen kommt uns ziemlich ungelegen, aber dabei sollten wir es belassen.«
»Tut mir leid, Saul«, sagte John. »Kann ich irgendetwas tun, um meine Festanstellung zu retten?«
Haranchek schaute auf die Uhr. »Ich muss zurück zur Konferenz.«
»Würdest du mich bitte bei den anderen entschuldigen, Saul?«
»Klar.« Er schloss die Tür.
Erneut starrte John die Notiz von Sally Kimberly an. Zwar war er wütend auf sie, aber noch wütender war er auf seine eigene Blödheit. Er war ihr gegenüber freundlich und offen gewesen, in der Hoffnung, dass sie einen positiven Artikel über sein Institut schreiben würde. Warum hatte er nicht daran gedacht, dass die Welt so nicht funktionierte?
Er holte sich einen Kaffee und setzte sich. Im selben Augenblick klingelte wieder das Telefon. Es war Naomi und ihre Stimme klang verzagt und zittrig. »John, hast du dir in der letzten halben Stunde mal die Nachrichten angesehen?«
»Nein«, antwortete er. »Warum, was ist denn los?«
»Dr. Dettore. Er wurde von Fanatikern getötet – sie haben sich zu dem Anschlag bekannt und behaupten, Dettore habe für den Satan gearbeitet. Sie nennen sich die Apostel des Dritten Jahrtausends und sagen, sie hätten eine Bombe in den Hubschrauber geschmuggelt. Und sie haben angekündigt, dass jeder ein potentielles Anschlagsziel ist, der mit Genen herumpfuscht. Ich habe solche Angst, John!«
27
IN DEM KLEINEN SCHNEIDERAUM sah sich Naomi die Rohfassung der ersten Episode einer Serie über Katastrophenüberlebende an, die sie bewerben
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