Nur dein Leben
Kopf.
»John, mein Gott noch mal …«
Er riss ihr das Telefon aus der Hand und unterbrach die Verbindung.
»Warum tust du das?«, fragte Naomi.
John sah sie an, außer sich. »Weil ich müde bin, okay? Ich bin sehr müde. Um neun Uhr habe ich eine Fakultätskonferenz in der Uni, bei der ich voll da sein muss. Es werden mindestens zwei Kollegen dabei sein, die einen sehr großen Einfluss darauf haben, ob ich eine Festanstellung bekomme oder nicht. Und wenn ich diese Festanstellung nicht bekomme, werde ich in einem Jahr voraussichtlich auf der Straße Banjo spielen oder an roten Ampeln Windschutzscheiben waschen, um das Essen für unser Baby zu verdienen. Noch Fragen?«
Sie nahm ihn in die Arme. Sie war selbst erschöpft von der schlaflosen Nacht und den Sorgen.
Nach all dem, was sie durchgemacht hatten, den schmerzhaften Injektionen, den Diskussionen, den Entscheidungen, den Erniedrigungen, dem Leid, den Kosten, dem Tod von Dr. Dettore hatte sie mehr Angst denn je.
Alles veränderte sich. Das Leben, das sie und John zusammen geführt hatten, ihr kleines Heim, diese Welt, die sie sich aufgebaut hatten, alle guten Dinge, die sie gemeinsam besaßen, diese wunderbare Liebe zwischen ihnen, das alles war plötzlich anders.
John kam ihr wie ein Fremder vor.
Würde das Baby in ihr, dieses Wesen, das in ihrem Bauch heranwuchs, so zerbrechlich mit seinen winzigen Armen und Beinen, so vollständig abhängig von ihr, ebenfalls eine Fremde sein? Ich habe dich in mir gesehen, auf dem Ultraschallmonitor, wie du deine kleinen Arme und Beine bewegt hast. Mir ist es egal, dass du ein Mädchen und kein Junge bist. Vollkommen egal. Ich will nur, dass du gesund bist.
Obwohl sie wusste, dass es Einbildung sein musste, spürte sie in sich eine hauchzarte Bewegung, wie eine Bestätigung.
»John«, flüsterte sie. »Wir dürfen nicht zulassen, dass uns das zerstört – diese Geschichte – unser Baby – bitte …«
Wieder klingelte das Telefon.
John hielt Naomi fest in seinen Armen. »Wir müssen stark sein, Schatz. Du und ich. Denk an die Wagenburg, ja? Ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt. Bitte, geh nicht ans Telefon, zieh den verdammten Stecker raus, nur für zehn Minuten. Ich darf nicht zu spät zu dieser Konferenz kommen. Bitte – kein verdammtes Interview kann so wichtig sein wie diese Konferenz.«
Naomi zog den Stecker raus. John duschte und rasierte sich, gab ihr einen Kuss auf die Wange, griff nach seinem Autoschlüssel und seiner Laptoptasche und eilte zur Tür hinaus.
Die Morgenzeitung lag auf dem feuchten Rasen, wo der Zeitungsbote sie hingeworfen hatte. John hob sie auf, rollte sie auseinander und warf einen Blick auf die Titelseite. Sein Blick wurde von dem Foto einer Frau angezogen, die ihm bekannt vorkam. Unglaublich bekannt. Eine attraktive Frau in Nahaufnahme mit einer Sonnenbrille auf dem Kopf. Sie hatte den selbstsicheren Gesichtsausdruck einer reichen, sorglosen Lady. Dann dämmerte ihm, warum sie ihm so bekannt vorkam.
Es war Naomi.
Und über ihr war ein Foto von ihm abgebildet, zweimal so groß. Sein Gesicht, das in die Kamera starrte, vor dem Hintergrund einer DNS -Doppelhelix.
Die Zeitung war die, die sie jeden Morgen erhielten.
USA Today
. Die Schlagzeile auf der Titelseite lautete:
L.A.- PROFESSOR GESTEHT : » WIR ERWARTEN EIN DESIGNERBABY «
26
VIER ÜBERTRAGUNGSWAGEN von Nachrichtensendern parkten vor dem Eingang der Universität. John eilte herbei, unterwegs zu seiner Konferenz. Vor den Übertragungswagen standen Trauben von Menschen, einige mit Kameras, andere mit Mikrofonen bewaffnet. John hörte, wie sein Name gerufen wurde. Und wieder, diesmal lauter.
»Dr. Klaesson?«
Eine andere Stimme fragte: »Sind Sie sicher, dass er es ist?«
»Ja, das ist Dr. Klaesson!«
Eine kleine, dunkelhaarige Frau, die ihm irgendwie bekannt vorkam, mit einem attraktiven, aber harten Gesicht, hielt ihm ein Mikrofon vor die Nase. Jetzt wusste er, wer sie war: eine Fernsehreporterin, er hatte sie oft in den Nachrichten gesehen. »Dr. Klaesson, können Sie mir sagen, warum Sie und Ihre Frau sich für ein Designerbaby entschieden haben?«
Ein weiteres Mikrofon erschien vor seinem Gesicht: »Dr. Klaesson, wann wird Ihr Baby zur Welt kommen?«
Dann ein drittes Mikrofon. »Dr. Klaesson, können Sie bestätigen, dass Sie und Ihre Frau das Geschlecht Ihres Babys vorherbestimmt haben?«
John schlängelte sich durch die Menge der Reporter und sagte höflicher, als er eigentlich
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