Nur dein Leben
dass in Ihrem Oberstübchen noch alles stimmt. Bis dahin liegt Naomi frisch und sauber im Bett, und Sie können runter zu ihr und den Babys gehen.«
In dem Bewusstsein, dass seine Stimme merkwürdig schleppend klang, als hätte er getrunken, fragte John: »Sagten Sie: Säuglingsintensivstation?«
Der Arzt nickte.
Beunruhigt fragte John: »Aber warum denn?«
»Alle Frühchen werden erst einmal dort aufgenommen. Ihre kleine Tochter wiegt zweitausendsechshundertfünfzig Gramm, Ihr Sohn zweitausendvierhundertdreißig. Ein gutes Gewicht für Zwillinge in der sechsunddreißigsten Woche. Sie scheinen rundum gesund zu sein – ja, sogar bemerkenswert robust – und atmen von allein. Wir können froh sein, dass die Gestose ihnen nicht geschadet hat.«
Holbein lächelte John wissend an, und dieser fragte sich plötzlich beunruhigt, ob der Arzt Bescheid wusste, ob er einen einschlägigen Artikel in einer englischen Zeitung gelesen hatte und sich an ihre Namen oder Gesichter erinnerte.
Der Gynäkologe drehte sich um. »Leider muss ich jetzt wieder zurück in den Kreißsaal. Ich komme heute Abend noch einmal vorbei und sehe nach, wie es Naomi geht.«
John hörte, wie die Tür geschlossen wurde.
»Sie sind nicht der Erste, der in Ohnmacht gefallen ist«, bemerkte Lisa.
»Ich fand es so brutal – ich konnte einfach nicht mit ansehen, wie …«
»Aber wenigstens geht es Ihrer Frau und den Zwillingen gut. Ist das nicht die Hauptsache?«, fragte die junge Hebamme.
John zögerte. Er dachte darüber nach, dass die ganze Situation bis zu diesem Zeitpunkt irreale Züge hatte. Natürlich hatte Naomi monatelang gelitten, aber die Babys waren die ganze Zeit in ihr gewesen, und noch konnte er sich vorstellen, eines Morgens aufzuwachen und festzustellen, dass Naomis Bauch verschwunden und alles nur eine Fehldiagnose gewesen war, eine Scheinschwangerschaft, sonst nichts.
Allmählich dämmerte ihm schmerzhaft die Realität. Die Unwiderruflichkeit. Sie hatten zwei menschliche Wesen in die Welt gesetzt, deren Gene möglicherweise von Dettore gegen ihren Willen manipuliert worden waren. Sie konnten nur hoffen und beten, dass alles gutgehen würde.
Dann blickte er wieder die fröhliche junge Hebamme an und nickte unsicher als Antwort auf ihre Frage.
38
Mit dickem Brummschädel spähte John durch die Glasscheibe zu Luke und Phoebe, die auf dem Rücken lagen und schliefen, eingepackt in weiße Deckchen und intubiert. Sie waren noch kleiner als er sie sich vorgestellt hatte, runzliger, rosafarbener, mit kleinen Händchen wie Seesterne.
Schöner.
Absolut, absolut unglaublich!
Ihm stockte der Atem, und fast weinte er vor Rührung, als er diese kleinen Menschlein beobachtete, diese Miniaturkopien von Naomi und ihm, in durchsichtigen Plexiglaskästen, winzig klein inmitten all der Hightech-Apparatur.
Trotz der zerknautschten Gesichtchen erkannte er Ähnlichkeiten. Luke besaß typische Merkmale Naomis, während er sich selbst in Phoebe wiedererkannte. Obwohl es eigentlich umgekehrt hätte sein sollen, spielte es keine Rolle. Nur eines war wichtig, und das sah man deutlich in ihren Gesichtern:
Es waren ihre Kinder, seine und Naomis, ohne jeden Zweifel.
Erleichtert schloss er die Augen. Monatelang war das ihrer beider schlimmste Befürchtung gewesen, trotz all seiner Bemühungen, sie zu beruhigen.
Jetzt standen sie vor der nächsten Sorge: Welche anderen Fehler konnten Dettore unterlaufen sein? Oder: Welche anderen vorsätzlichen Manipulationen hatte er hinter ihrem Rücken vorgenommen?
Aber wenigstens waren sie gesund! Stark,
bemerkenswert robust,
wie der Gynäkologe bemerkt hatte.
Seine Gedanken schweiften zu Halley ab und zu dem ausgeprägten Verantwortungsgefühl, das er nach dessen Geburt empfunden und all den Hoffnungen, die er für seinen Sohn gehegt hatte, lange bevor er von der tickenden Zeitbombe in seinem Inneren wusste. Für diese beiden Kleinen fühlte er sich sogar noch stärker verantwortlich, weil sie sie trotz aller Risiken auf die Welt gebracht hatten. Nun blieb nur noch Bangen und Hoffen, dass Dettore nicht mit dem einen, entscheidenden Gen Schindluder getrieben hatte.
Phoebe hob mit geschlossenen Augen ihre Seesternhand leicht an und öffnete und schloss die Finger. Kurz darauf tat Luke das Gleiche. Fast, als winkten sie ihm zu, als würden sie ihn erkennen.
Hi, Dad! Hi, Dad!
John flüsterte lächelnd: »Willkommen auf der Welt, Luke und Phoebe, meine kleinen Schätze. Ihr seid unsere Zukunft, Mums und
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