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Nur dein Leben

Nur dein Leben

Titel: Nur dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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Augen sprach absolutes, blindes Vertrauen. »Das hat er gesagt?«
    »Ja«, log er.
    »Kalle ist ein prima Kerl.«
    »Ja, das ist er.«
    Er drückte sie noch fester an sich, liebkoste ihr Ohr und flüsterte: »Luke und Phoebe schlafen. Sollten wir das nicht ausnutzen?«
    Anstatt einer Antwort nahm sie ihn an der Hand und führte ihn ins Schlafzimmer.

46
    EIN HERZZERREISSENDER SCHREI schrillte durch die nächtliche Stille. Naomi lief es kalt den Rücken hinunter. Sie lag wach im Bett, hellwach, mit weit aufgerissenen Augen, gefangen in einem Gedankenstrudel. Das Zimmer war in ätherisches Mondlicht getaucht, das durch die offenen Gardinen hereinfiel. Da sie keine Nachbarn hatten, zogen sie sie niemals zu.
    »Ein Fuchs hat ein Kaninchen erwischt«, sagte John leise, legte einen Arm um sie und zog sie an sich.
    »Hört sich unheimlich an.«
    »Das ist eben die Natur.«
    Sie drehte sich um und starrte ihn an. Draußen ertönten weitere Schreie, dann herrschte Stille.
    »Du erforschst doch die Natur«, sagte sie. »Du simulierst sie in deinen Computerprogrammen. Schreien Kaninchen in deinen Computern?«
    Lächelnd erwiderte er: »Nein.«
    Sie küsste ihn. »Du bist so lieb. Ich bin sicher, du könntest nicht mal einem virtuellen Kaninchen wehtun. Ich möchte nicht, dass du ein Gewehr anschaffst. Ich will nicht in einer Atmosphäre der Angst oder einer Art Belagerungszustand leben. Wir dürfen nicht die Gründe aus den Augen verlieren, warum wir unsere Entscheidung getroffen haben, John. Es war doch nichts Falsches oder Unmoralisches – wir haben doch nichts getan, wofür wir uns schämen müssten, oder, John?«
    »Nein«, sagte er leise.
    »Ich habe Angst. Seit dem Mord an Leo Dettore ist kein Tag vergangen, an dem ich keine Angst hatte. Ich habe Albträume, aus denen ich verwirrt und erschöpft erwache, und nur manchmal, wenn die Sonne hereinfällt, wenn ich Vögel singen oder dich atmen höre, wenn die Träume verblassen, sind mir ein paar wenige Augenblicke der Ruhe gegönnt, ein bisschen innere Klarheit und Frieden. Doch dann stürzt alles wieder auf mich ein, und ich glaube – bilde mir ein –, ein Auto stehe am Ende der Straße, besetzt mit einer Gruppe religiöser Fanatiker, bewaffnet mit Pistolen und Messern, und sie sind noch nicht einmal von Hass erfüllt, sondern von einem inneren Frieden, weil sie glauben, das Richtige zu tun und Gottes Befehle auszuführen. Macht dir das Angst, John?«
    »Ja. Ich denke die ganze Zeit daran.«
    »Aber du glaubst noch immer, dass der Mensch sich die Natur untertan machen sollte, oder?«
    »Ja. Bisher ist nichts geschehen, was mich von meiner Meinung abgebracht hätte.«
    Nach einem kurzen Schweigen fragte Naomi: »Hast du Luke und Phoebe genauso lieb wie …« Ihre Stimme erstarb.
    »Wie?«
    »Ach, vergiss es.«
    Er streichelte ihre Haare. »Ja, natürlich. Ich habe sie … unfassbar lieb. Ich hätte nicht gedacht, dass ich zu solcher Liebe fähig wäre. Ich …«
    »Wenn du vor der Wahl stündest, sie oder mich zu retten«, begann sie, »wen würdest du wählen?«
    »So weit wird es niemals kommen.«
    Ihr Ton wurde eine Spur drängender. »Nur mal angenommen, du würdest vor dieser Entscheidung stehen – wen würdest du retten? Luke und Phoebe oder mich?«
    John dachte angestrengt nach. Mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet.
    »Wen?«, bohrte sie.
    »Dich«, antwortete er. »Ich würde dich retten.«
    »Warum?«
    »Weil wir noch einmal Kinder haben könnten, falls ihnen etwas zustoßen sollte. Aber du bist unersetzlich.«
    Sie küsste ihn. »Das hast du schön gesagt – aber meinst du es auch so?«
    »Ja.«
    »Gut«, sagte sie. »Noch eine Frage. Wenn du die Wahl hättest, entweder sie oder dich selbst zu retten, wie würdest du dich entscheiden?«
    »Für sie«, antwortete er, ohne zu zögern.
    Sie klang erleichtert. »Du liebst sie also wirklich, oder?« Es war eine Feststellung, keine Frage.
    »Hast du etwa daran gezweifelt?«
    »Ab und zu habe ich mich gefragt, ob du dich vielleicht anders entscheiden würdest, wenn du die Uhr zurückdrehen könntest …«
    »Auf gar keinen Fall.« Er zuckte mit den Schultern. »Natürlich würde ich mich nicht noch einmal zu dem verdammten Interview hinreißen lassen, aber …«
    »Du würdest trotzdem wieder zu Dettore gehen?«
    »Ja. Und du?«
    »Ich auch.«
    »Schatz«, sagte er, »im Laufe der Geschichte sind die Menschen, die sich der herrschenden Meinung widersetzt haben, immer wieder verfolgt worden. Manche

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