Nur dein Leben
den Schneidbrenner mit seinem Feuerzeug an und hatte in Sekunden das Kabel durchtrennt. Im Inneren des Hauses hörte er das Warnsignal, das einen Leitungsschaden meldete.
Jetzt öffnete er rasch die Küchentür und ging hinein. Sofort wurden die Warntöne des Telefons von dem wesentlich lauteren Heulen des internen Einbrecheralarms begleitet. Von draußen kam kein Geräusch. Er holte die Sprühdose mit Betäubungsgas aus der Tasche, setzte die Gasmaske auf und rannte die Treppe hinauf.
In dem Moment, als er die Tür des Schlafzimmers erreichte, wurde sie geöffnet, und der Sünder stand nackt vor ihm. Er besprühte ihn, und der Mann sank geräuschlos zu Boden. Als er an ihm vorbeiging, sah er, wie die Sünderin nach dem Lichtschalter tastete. Auch auf sie feuerte er einen langen Gasstoß ab, und sie sank rückwärts in die Kissen. Beide würden für gut eine halbe Stunde bewusstlos sein. Lange genug.
Er ging wieder hinunter in die Küche und ignorierte das Kreischen des Alarms, der außerhalb des Hauses kaum zu hören sein dürfte. Er entdeckte den Wasserkocher schon nach wenigen Augenblicken.
Perfekt.
Er schraubte den Schaltermechanismus auf, legte den automatischen Abschalter lahm und schraubte den Schalter wieder ein. Dann leerte er das Wasser aus dem Behälter, schaltete den Kocher ein, zog ein paar trockene Küchenhandtücher aus einem Regal, wickelte sie um den Fuß, trat zurück und wartete.
Nach ein paar Minuten roch er heißes Plastik. Nach einer weiteren Minute stieg Rauch auf. Dann stand der Wasserkocher in Flammen.
Er zog sich bis zur geschlossenen Tür zurück, nahm die Flasche mit dem flüssigen Propangas und drehte das Ventil auf. Ein Gasstrahl schoss quer durch den Raum auf den Wasserkocher zu und im selben Moment schlug eine Stichflamme bis hoch zur Decke. Dann öffnete er die Tür und trat hinaus in die Nacht. Innerhalb von Sekunden verwandelte der Luftzug die Küche in ein flammendes Inferno.
Sicher hinter dem Gebüsch am anderen Ende des Gartens verborgen, streifte er die Gasmaske ab und beobachtete, wie sich das Feuer ausbreitete. Schon bald stieg ihm der Geruch von brennendem Holz und Farbe in die Nase, und er lauschte dem Knistern der Flammen. Und dann: ein noch schöneres Geräusch. Das Weinen zweier kleiner Kinder.
Er kletterte über den Zaun und brachte sich auf dem Weg in Sicherheit, den Gott ihm vor zwei Tagen gezeigt hatte, über die Felder zu dem Parkplatz hinter einem kleinen Supermarkt, wo sein Leihwagen wartete.
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Von:
Kalle Almtorp, Schwedische Botschaft, Washington
An:
John Klaesson. Bklaesson @ morleypark.org
Betreff:
Apostel
John,
es kann sein, dass die Apostel wieder zugeschlagen haben.
Ein Ehepaar in Iowa, Dr. Laurence und Dr. Patty Morrison sowie ihre zweieinhalb Jahre alten Zwillinge Nathan und Amy wurden vor zwei Tagen in ihrem ausgebrannten Landhaus gefunden. Auch sie sind in der Dettore Klinik gewesen. Das Feuer hat einen beträchtlichen Schaden angerichtet, daher konnte die Brandursache noch nicht ermittelt werden, aber ich wollte Dir trotzdem Bescheid sagen.
Drei Morde an drei Ehepaaren mit Zwillingen, die alle in der Dettore Klinik gewesen sind – das ist zwar noch kein schlüssiger Beweis, aber trotzdem rate ich euch, weiterhin wachsam zu bleiben.
Natürlich halte ich Dich auf dem Laufenden. Bisher hat es allerdings noch keine Fortschritte bei den Ermittlungen nach der Identität dieser sogenannten Apostel des Dritten Jahrtausends oder irgendwelcher Hintermänner gegeben. Sie bleiben weiterhin anonym und verborgen.
Ich hoffe, Dir, Naomi und den Kindern geht es gut! Ich werde Ende des Jahres nach Malaysia versetzt, halte aber weiterhin für Dich Augen und Ohren offen.
Hälsningar!
Kalle
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HÄTTE EINE CASTING AGENTUR jemanden für die Rolle des archetypisch exzentrischen, britischen Wissenschaftlers gesucht, hätte sie dem Regisseur entzückt Reggie Chetwynde-Cunningham präsentiert. Er saß an einem kleinen Schreibtisch in seinem hoffnungslos überfüllten Büro im Gebäude B 4 von Morley Park und fixierte John mit Habichtblick durch sein Monokel.
Der Linguist war Anfang sechzig. Ein Netz von Äderchen durchzog sein wettergegerbtes Gesicht und die Haare standen ihm wild zu Berge. Er trug einen abgewetzten grünen Tweedanzug mit Lederflicken an den Ellbogen und eine grellbunte Fliege über einem karierten Viyella-Hemd.
An den Wänden seines vollgestopften Büros hingen einige alte Karten von Großbritannien, ein Foto, auf dem er Prinz Philip die
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