Nur dein Leben
Dillzweigen garnierter Flusskrebse. Seitlich daneben stand eine kleine Schwedenfahne aus Plastik und ringsum brannten Kerzen. Auf zwei Tellern stapelte sich das traditionelle geröstete Weißbrot, auf einem lag Greve-Käse. Jedes Gedeck wurde von Schnaps-, Bier-, Wein- und Wassergläsern ergänzt. Die Papiertischdecke, die Servietten, die Platzsets und die Schlabberlätzchen um den Hals der vier Esser waren mit Krebsmotiven bedruckt.
John, beschwingt vom Alkohol, fühlte sich wohl. Naomi hatte den Tisch wunderschön dekoriert. Auch sie sah zauberhaft aus, und er war unglaublich stolz auf sie. Er saß mit seinen besten Freunden beisammen. Die Luft war mild und aromatisch. An einem solchen Abend konnte man einfach nur glücklich sein.
Er stand auf und erhob sein Glas. »Ich möchte einen Trinkspruch auf dich ausbringen, mein Schatz. Du bist eine wunderbare Frau, eine fantastische Gattin und eine tolle Mutter. Ich liebe und verehre dich.«
Carson und Caroline erhoben ebenfalls die Gläser. Naomi murmelte einen verlegenen Dank.
»Auf Naomi!«, sagte Carson.
»Naomi!«, sagte Caroline, beugte sich über den Tisch und stieß mit ihr an.
John füllte Carsons Schnapsglas auf, aber Caroline bedeckte ihres mit der Hand.
»Ich fahre«, erklärte sie.
John sah sie vorwurfsvoll an. »Niemand fährt nach einem Kräftskiva noch Auto. Ihr solltet es bei uns stehen lassen und nachher ein Taxi nehmen!«
Dann stand er vom Tisch auf und ging, ein wenig unsicher auf den Beinen, hinüber zum Babyphon. Nur ein leises statisches Rauschen. Alles ruhig. Gut. Er hoffte, ihr Gesang hier unten würde die Kinder nicht stören, aber hey, das alljährliche Krebsfest im August, das Kräftskiva, würde irgendwann auch Teil von Lukes und Phoebes Leben werden. Ein wichtiger Eckpfeiler ihrer schwedischen Kultur.
»Und, gefällt dir die Arbeit im Morley Park Institut immer noch, John?«, fragte Carson Dicks und riss John damit aus seinen Gedanken.
»Ja, absolut«, antwortete John. »Ich bin froh, dass du mich überredet hast. Ich bin wirklich glücklich.« Er sah Naomi an.
Sie fügte hinzu: »Ich bin dir sehr zu Dank verpflichtet, dass du uns zur Rückkehr nach England verholfen hast.«
»Wir sind auch froh«, sagte Carson und linste sie beide durch seine Flaschenboden-Brillengläser an. »Wir können uns glücklich schätzen, dass John für uns arbeitet und freuen uns, euch beide hier zu haben. Alles hat sich aufs Beste gefügt. Du hast einen großartigen Mann.«
Caroline griff nach ihrem Glas. »Wer hat noch gleich gesagt: ›Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine zutiefst verwunderte Frau‹?«
Alle lachten.
John strahlte Carson an. Er mochte ihn wirklich sehr. Sein Chef hatte anlässlich des Schwedenabends ein blaugelb gestreiftes T-Shirt, unmöglich weite Hosen und offene Sandalen angezogen. Er sah aus wie ein Volltrottel, und dabei doch so unfassbar sympathisch. Spontan erhob John noch einmal das Glas und stand auf. »Carson und Caroline – ihr seid uns wahrhaft gute Freunde und habt uns in so vieler Hinsicht geholfen. Ich danke euch! Naomi und ich haben wirklich Glück.« Er trank sein Glas zur Hälfte aus und setzte sich wieder.
Caroline lächelte ein wenig verlegen. Carson hob ebenfalls das Glas: »Weißt du, was einen wahren Freund ausmacht, John?«
John schüttelte den Kopf. »Nein, sag’s mir.«
»Das ist einer, der alles über dich weiß – und dich trotzdem mag!«
John schüttelte sich vor Lachen. »Dann bist du wirklich ein wahrer Freund!«
»So! Zeit für das nächste Lied. Caroline, du bist dran.«
Verlegen stand sie auf, ihr Blatt in der Hand, und kämpfte sich wacker durch den schwedischen Text.
»Tänk om jag hade lilla nubben …«
, begann sie.
Als sie geendet hatte, erntete sie frenetischen Applaus von John und ihrem Mann, die erneut ihre Schnapsgläser leerten.
John schenkte nach. Als er sich wieder setzen wollte, weckte ein Geräusch aus dem Babyphon seine Aufmerksamkeit. Im ersten Moment glaubte er, es sei wieder nur die Statik, als er jedoch genauer hinhörte, nahm er ein lautes, giftiges Summen wahr.
Naomi blickte zu ihm auf und fragte: »Hörst du etwas?«
Wieder lauschte er. Unverkennbar ein wütendes Brummen. »Ich geh schon.«
Er hob beruhigend die Hand, tappte unsicher in die Diele und eilte schwankend zum Zimmer der Zwillinge. Als er die Tür öffnete, musste er sich praktisch sofort ducken, weil ein kleines, dunkles Objekt, kaum sichtbar im schwachen Schein des Nachtlichts, wild
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