Nur der Tod lebt ewig (Unheimlicher Roman/Romantic Thriller) (German Edition)
Verzweiflung
„Nein, ich glaube nicht.“
„Sind das Ihre Gebeine hier?“
„Ja.“ Kurz, knapp, einsilbig.
„Das muss sehr schwer für Sie sein, Käpt’n. Ich meine, kein Mensch kann sich vorstellen, wie es ist, sich nach dem Tod selbst zu begegnen.“
„Sprich besser nicht weiter. Dieses Thema geht dich nichts an.“
„Was ist in der Kiste?“, fragte Marc, um das Thema zu wechseln.
„Das Logbuch meines Schiffes, sonst nichts von Bedeutung.“
„Dann werden wir nachlesen können, was Sie alles erlebt haben?“
„Falls du Wert darauf legst, ja. Kannst es noch eine Weile allein aushalten? Ich muss darauf achten, dass das Mädchen sich nicht den Hals bricht.“
„Es wird schon gehen“, erwiderte Marc tapfer, obwohl er das Gefühl hatte, keine Minute länger hier gefesselt aushalten zu können. Er beschäftigte sich damit, in Gedanken das Logbuch schon zu lesen. Dabei hatte er schon kein Gefühl mehr in den Gliedern, und vor seinen Augen tanzten bunte Ringe. Sicher hatte er eine Gehirnerschütterung. Aber darum konnte sich später ein Arzt kümmern.
Jetzt besaß er auf jeden Fall die Hoffnung, dass sein Martyrium nicht mehr lange dauern würde. Wenn doch Sophie nun schon hier wäre.
*
Francis O’Donnell ahnte, dass dieses ewig lang währende Abenteuer von Käpt’n Spenser nun bald ein Ende finden würde. Auf dem Boden lag noch immer Charles Preston, doch er würde vermutlich schon bald wieder zu sich kommen. Francis nahm einen festen Strick und begann den Mann fachgerecht zu fesseln. Erst danach ging er zum Telefon, um die Anrufe zu erledigen. Chief-Inspector Clarke versprach sofort zu kommen, obwohl Francis sich bewusst nur vage ausdrückte. Jason Reynolds, der Anwalt, wollte sich ebenfalls sofort auf den Weg machen.
Doch der erste, der eintraf, war ausgerechnet Lord Preston. Man hatte ihm offenbar mitgeteilt, dass er dringend in Clydesdale benötigt wurde, und weil er neuen Ärger ahnte, hatte er keine Zeit verloren. Auf seinem Gesicht zeigte sich maßloses Erstaunen, als er seinen Sohn gefesselt auf dem Boden liegen sah.
„Was hat das zu bedeuten?“, fragte er scharf.
„Man hat mich überfallen“, ächzte Charles, der gerade wieder zu sich kam. „Dieses Haus ist ein Hort des Verbrechens. Ich wurde grundlos niedergeschlagen. Wahrscheinlich wollte man mich ausrauben, oder mir sonst etwas Furchtbares antun. Vater, du musst sofort...“
Unter dem gestrengen Blick seines Vaters verstummte Charles. „Ich bezweifle sehr stark, dass bei dir etwas zu holen wäre“, verkündete er mit unheilvoller Stimme. „Im Übrigen glaube ich nicht, dass hier etwas grundlos passiert, ganz im Gegenteil. Ich fürchte, du hast wieder einmal eine Katastrophe heraufbeschworen. Aber dieses Mal werde ich keine schützende Hand mehr über dich halten. Du hast mich einmal zu viel enttäuscht. - Sie können mir vermutlich Aufklärung geben, Mister...?“
„O’Donnell, Sir. Miss Sophie bat mich, Ihnen alles zu erzählen. Und da ist auch schon Inspector Clarke. Dann kann ich es mir ersparen, alles zweimal zu berichten.“
Unter den missbilligenden Blicken des Lords und der aufmerksam Miene von Clarke berichtete Francis, was er wusste. Natürlich war seine Erzählung nicht vollständig, doch der Inspector konnte sich die fehlenden Einzelheiten mühelos zusammenreimen. Lord Preston allerdings gab sich damit nicht zufrieden.
„Habe ich die ganze Sache so zu verstehen, dass mein Sohn bereits seit längerem den Plan hatte, die Lodge in seinen Besitz zu bringen, um diesen ominösen Schatz ausfindig zu machen? Woher sollte er denn davon gewusst haben, und aus welchem Grund sollte er so etwas Absurdes tun?“ Sein Blick glitt von Francis zu Charles hinüber, an steile Falte erschien auf seiner Stirn.
„Glaube ihm kein Wort, Vater. Du kennst mich. Ich habe wohl schon eine Menge Unsinn gemacht, aber ich würde doch nie...“
„Du hast recht, Charles, ich kenne dich. Und ich weiß leider recht gut, dass du dir im Allgemeinen keine Gedanken um die Folgen durch deine Taten machst. Hast du wieder gespielt und verloren?“ Die Antwort erübrigte sich, der schuldbewussten Miene war die Wahrheit anzusehen.
„Aber du bist doch sicher nicht allein auf die verrückte Idee gekommen, Miss Sophie um das zu betrügen, was ihr rechtmäßig gehört?“
„Ich wollte nur die Hälfte von dem Schatz. Und selbst davon hätte ich noch einiges abgeben müssen.“
„An wen?“, fragte der Lord mit Eis in der Stimme.
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