Nur die Liebe heilt
fröhlicher als sonst. Evie war sich sicher, dass Taryn den Besuch ihrer Freundin wirklich genossen hatte.
Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück – das machte sie schier wahnsinnig. Denn nachdem Hannah gegangen war, hatte Taryn sich sofort wieder in sich selbst zurückgezogen. Den ganzen restlichen Nachmittag war sie mürrisch und abweisend gewesen und hatte zu jeder einzelnen Übung mehr oder weniger gezwungen werden müssen.
Zum ersten Mal hatte sie sich sogar geweigert, mit der Sprachtherapeutin zu arbeiten, die Brodie engagiert hatte. Sie war eine sehr nette Dame mittleren Alters, die genauso wie die Ergotherapeutin dreimal die Woche aus Denver kam.
Was so vielversprechend begonnen hatte, endete in einem langen, frustrierenden Nachmittag. Als schließlich die Krankenschwester für die Abendschicht kam, um Taryn ihre Medikamente zu geben und ihr beim Duschen zu helfen, wusste Evie nicht, wer erschöpfter war. Sie oder Taryn. Jeder Muskel ihres Körpers schmerzte. Sie hatte ganz vergessen, wie anstrengend diese Arbeit auch körperlich war.
„Ich komme morgen wieder“, sagte sie zu Taryn. „Du kannst dich bemühen, so sehr du willst, aber du wirst mich nicht so leicht los. Was könnten wir machen, damit es morgen besser wird?“
„Vielleicht … sollte ich … Sie … schminken.“
Sie starrte Taryn an. „Du hast einen Witz gemacht! Wow! Und dazu noch einen sehr guten.“
Taryns Lächeln wirkte etwas müde, aber verschmitzt. „Kein Witz. Das möchte ich.“
Das Kichern, das Evie ausstieß, war vermutlich nur eine Reaktion auf ihre emotionale und körperliche Erschöpfung, aber egal. Auf einmal fühlte sie sich großartig, vor allem, weil Taryn ebenfalls zu lachen begann.
Ein warmes Gefühl stieg in ihr auf. Ja, Taryn war vielleicht mürrisch und uneinsichtig. Wer wäre das nicht unter diesen Umständen? Sie war ein Teenager, dessen Leben vollkommen auf den Kopf gestellt worden war. Und trotzdem blitzten gelegentlich ihr Humor und ihre Anmut durch. Und das machte es Evie äußerst schwer, sie nicht zu mögen – so sehr sie sich auch geschworen hatte, auf Distanz zu bleiben.
„Gut. Dann machen wir das so. Morgen, bevor wir ins String Fever gehen, kannst du mich schminken.“
„Mit … Lippenstift?“
Evie erschauerte innerlich bei der Vorstellung, wie sie danach aussehen mochte, ließ sich aber nichts anmerken. Das Schlimmste konnte sie ja verstohlen mit einem Papiertuch entfernen, wenn es sein musste. „Wenn du versprichst, morgen härter zu arbeiten, dann sogar mit Lippenstift.“
„Das wird bestimmt interessant.“
Als sie die Stimme hinter sich hörte, fuhr sie herum. Brodie lehnte am Türrahmen, seine Augen blitzten amüsiert.
„Dad! Hi.“
Aus irgendeinem albernen Grund wurden Evies Wangen heiß. Wie stellte er das bloß immer wieder an? Dieser Mann hatte die unangenehme Eigenschaft, genau dann aufzutauchen, wenn sie überhaupt nicht darauf vorbereitet war. Nun, um fair zu bleiben: Dies war schließlich sein Haus. Trotzdem wäre es ihr lieber gewesen, wenn er vorher angeklopft hätte.
„Hey.“
„Muss ja ein übler Tag gewesen sein, wenn ihr jetzt schon über Extrem-Make-up verhandelt.“
„Ach, morgen wird es wieder besser laufen, nicht wahr, Taryn?“
„Kann sein“, erwiderte Taryn.
„Hannah Kirk hat Taryn besucht, und es war wirklich sehr schön mit ihr“, erzählte Evie. „Danach haben wir Stretchübungen gemacht und die Muskeln aufgebaut.“
„Und wie war es?“
Als würde man in einem Fass voll Öl mit einem sehr unfreundlichen Alligator ringen. „Super“, log sie. „Taryn hat schwer gearbeitet.“
Taryn zog den Kopf ein und weigerte sich, einen von ihnen anzusehen.
Brodie sagte einen Moment lang nichts, und als sich ihre Blicke trafen, entdeckte Evie einen entschuldigenden Ausdruck in seinen Augen. „Solange du nur dein Bestes gibst, KIeines. Das ist das Wichtigste. Seid ihr für heute fertig?“
„Ja. Ich bin schon auf dem Heimweg“, sagte Evie.
Plötzlich wollte sie einfach ein paar Stunden allein sein. Sie brauchte Abstand und Zeit, um sich all die Gründe in Erinnerung zu rufen, warum sie Taryns Charme nicht erliegen durfte – und Brodies noch viel weniger.
„Ich bringe Sie zur Tür.“
Sie starrte auf seine Finger, stark und lang, mit denen er leise auf das Holz der Tür trommelte, unruhig wie immer.
Bemühen Sie sich nicht, hätte sie sagen sollen. Und dass sie den Weg nach draußen schon allein finden würde. Tut mir leid, aber Sie machen
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