Nur dieser eine Sommer
Allgemeinplätze! Dies ist doch keine akademische Diskussion!“
Er guckte sie gekränkt an.
„Schau mal“, versuchte sie zu erklären, „wenn ich in der Zeitung etwas über einen tragischen Vorfall lese, bei dem jemand ums Leben kommt, dann stimmt mich das traurig. Ach, wie schlimm, denke ich, und das war’s. Selbst beim Tode eines entfernten Bekannten mache ich im alten Trott weiter. Hier aber geht es um meine Mutter. Ich bin verzweifelt, und meine Hilflosigkeit macht mich wütend.“ Sie schlug die Hände vors Gesicht. „Meine Mutter soll nicht sterben!“
Brett trat zu ihr an die andere Seite des Tisches, setzte sich neben sie und legte ihr den Arm um die Schulter. Sie kam sich furchtbar klein vor, lehnte sich an Brett und fühlte sich tröstlich geborgen.
„Ich kann nur so wenig tun und habe eine solche Angst!“
„Du tust schon eine Menge. Du bist heimgekommen, was ihr bestimmt sehr wichtig war. Nun bringst du das Strandhaus, das euch beiden so viel bedeutet, auf Vordermann.“
„Mir ist, als geriete meine ganze Welt ins Wanken.“
„Vielleicht gewinnst du genau dadurch den Blick für das Wesentliche.“
Schniefend barg sie das Gesicht an seiner Brust. „Vielleicht. Wer weiß! Ich stecke viel zu tief in allem drin, um den Durchblick zu bewahren. Ich habe Angst, denn dies ist erst der Anfang. Und ich fühle mich allein.“
„Aber das bist du nicht. Ich bin doch da!“
Mehr sagte er nicht. Er schloss sie einfach in die Arme.
Als Cara und Lovie am folgenden Morgen vom Stranddienst zurückkehrten, wirkte das Haus ungewöhnlich still. Wenn Toy ihre morgendlichen Arbeiten erledigte, sang sie gewöhnlich in der Küche vor sich hin, oder es dröhnte laute Musik aus der Stereoanlage. Doch heute war das nicht der Fall. Den Kopf schräg gelegt, blieb Lovie wie angewurzelt mitten im Wohnzimmer stehen.
„Hör doch“, flüsterte sie Cara zu und winkte sie näher heran. „Weint da nicht jemand?“
Cara lauschte angestrengt. Wirklich, jemand schien zu schluchzen und leise vor sich hin zu fluchen. Toy hatte sich in letzter Zeit häufig in sich gekehrt in ihrem Zimmer verkrochen und die Tür hinter sich abgeriegelt. Cara bemerkte den Blick ihrer Mutter und meinte leise: „Ganz schön launisch die letzten Tage, unsere Toy. Liegt sicher an der Schwangerschaft.“
„Launenhaftigkeit ist eins, aber Weinen? Das lässt mir keine Ruhe.“ Energisch ging Lovie auf die nur angelehnte Tür zu. Cara folgte ihr. Als die beiden ins Zimmer spähten, erblickten sie Toy vor der Nähmaschine. Verzweifelt hockte sie vor einem riesigen Stoffknäuel, das sich offensichtlich in der wütend vor sich hin ratternden Maschine verheddert hatte. Toy trug einen kurzen, zerfransten blauen Bademantel, der ihre dünnen braun gebrannten Beine enthüllte. Die Zehennägel waren hellviolett lackiert. Völlig aufgelöst schaute sie auf, als sie die beiden bemerkte.
„Ruiniert“, heulte sie und zerrte frustriert an dem Stoffberg. „Ich nähe und nähe und krieg das verdammte Ding einfach nicht hin! Die stinkt mir langsam, diese Näherei!“
„Mädchen!“ Lovie legte ihr beschwichtigend die Hand auf die Schulter. „Wieso hast du dich nicht an mich gewandt?“
„Weil ich Sie nicht belästigen wollte! Ich dachte, ich schaffe es vielleicht selbst. Es sah doch gar nicht so schwer aus, als ich das Muster aussuchte! Das liegt nur an diesem Material! Das rutscht so!“ Wütend fegte sie sich die verbliebene Stoffbahn vom Schoß.
„Ach, du Arme! Wie solltest du auch ahnen, dass sich solch Material nur schwer verarbeiten lässt?“ rief Lovie.
„Ich bin halt einfach zu blöd!“
„Nein, bist du nicht“, entgegnete Cara, die sich nun auch ins Gespräch einmischte.
„Und warum krieg ich’s dann nicht hin? Nähen kann doch fast jeder!“
„Kein Wunder, dass das nicht richtig klappt“, stellte Lovie nach einem Blick auf das Muster fest. „Damit hätte jeder seine Probleme. Hast du denn überhaupt mal Nähunterricht gehabt?“
„Nur in Grundzügen. In der siebten Klasse. Da haben wir mal Kissenbezüge und so Sachen angefertigt. Und jetzt habe ich geglaubt, dass ich das schon irgendwie hinbekomme. Aber all diese verschiedenen Schritte … das ist so schwer!“
„Ich nähe und schneidere für mein Leben gern. Es ist überhaupt nicht schwer. Aber bevor man sich an einen Hausbau wagt, muss man lernen, mit Hammer und Nagel umzugehen.“ Lovie warf Cara einen bedeutungsvollen Blick zu. „Stimmt doch, nicht wahr?“
Cara nahm
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