Nur dieser eine Sommer
wieder hier auftauchen würde. Ich beabsichtigte, meine Angelegenheiten so sauber wie möglich zu regeln, von Stratton nichts außer meiner Freiheit zu verlangen und dann, frei und ungebunden, zu Russell zurückzukehren. In jener Nacht floss mein Herz vor Hoffnung über. Ich war völlig verzückt und tanzte lachend im Walzertakt zum Haus. Mein Entschluss stand fest. Das Schlimmste, so dachte ich, lag hinter mir. Doch da hatte ich mich getäuscht. Als ich die Tür zum Strandhaus öffnete, wartete Stratton bereits auf mich. Noch heute sehe ich ihn in seinem dunklen Geschäftsanzug vor mir, als wäre es gestern gewesen. Breitbeinig hatte er sich mitten im Zimmer aufgebaut, das Gesicht bleich vor unterdrückter Wut, die Hände zu Fäusten geballt. Ich war von seinem Kommen überrascht; normalerweise kreuzte er hier nie auf. Ich klammerte mich an den Türrahmen, einerseits um nicht umzufallen, andererseits um nicht auf dem Absatz kehrtzumachen und wegzulaufen. Zahllose Gedanken schossen mir in Sekundenschnelle durch den Kopf. Vor allem war ich froh, dass Russell mich nicht begleitet hatte. Eigentlich konnte ich mir nicht vorstellen, dass Stratton Wind von meiner Affäre bekommen hatte, doch ich war sicher, dass er Bescheid wusste. Ich erkannte es an seinem Blick, an den dunklen Augen, die sich drohend verengten. Ich kriegte furchtbare Angst.
‚Wo warst du?‘ herrschte er mich an.
Ich strich mir die Haare nach hinten und tat möglichst unbefangen. ‚An einem Gelege‘, erwiderte ich und klang dabei alles andere als gelassen. ‚Ich schaue fast jede Nacht nach.‘
Er funkelte mich zornentbrannt an. ‚Ganz alleine? So spät noch?‘
‚Na sicher. Es ist doch völlig ungefährlich.‘ Ich streifte meine Sandalen ab und klopfte mir den Sand von den Shorts, und dabei fiel mein Blick auf meine Hand. Fast wäre ich zur Salzsäule erstarrt. Mein Ehering fehlte! Blitzschnell guckte ich zu Stratton und erkannte, dass auch er es schon bemerkt hatte! Seine Augen durchbohrten mich regelrecht. Hätte ich dann doch bloß den Mund gehalten! Aber ich dummes Ding musste ja unbedingt eine Erklärung erfinden und gleich unüberlegt losstammeln!
‚Am Strand trage ich ihn nie! Sand dringt dann in die Fassung des Brillanten ein. Und wenn ich eine Nestgrube aushöhlen muss …‘
‚Wer ist es?‘ Seine Stimme wurde tief und drohend.
Zitternd vor Angst versuchte ich weiterzulügen, stellte mich unwissend und ahnte doch, es war zwecklos. Erst heute, mit dem Abstand der Jahre, erkenne ich, dass ich damals meine einzige Rettungschance verpasste. Hätte ich Stratton von Anfang an reinen Wein eingeschenkt, in diesem Moment Stärke bewiesen, Russell und unserer Liebe vertraut, dann wäre vielleicht alles anders gekommen. Doch ich war zu feige, zu ängstlich, zu kleinmütig, um Stratton Paroli zu bieten. Und so verstrickte ich mich in das Lügengespinst, das mir zum Verhängnis wurde.
Bis zum heutigen Tag ist mir schleierhaft, wie er davon erfahren hat. Ob er uns zusammen gesehen oder ob uns jemand denunziert hatte, ob mich ein Gegenstand verriet, der von mir liegen gelassen und von ihm dann gefunden worden war, ich tappe völlig im Dunkeln. Möglicherweise verfügte er über einen dermaßen ausgeprägten Jagdinstinkt, dass er den Duft eines fremden Mannes an meinem Körper wahrnahm. Jedenfalls wusste er es. Aber als ich ihm den Namen meines Liebhabers nennen sollte, da stellte ich mich stur.
In jener Nacht wurde er zum ersten Mal handgreiflich. Er brach mir zwei Rippen, das Handgelenk und meinen Willen. Damals starb ein Teil von mir. Doch ich schwieg. Für immer. Niemandem habe ich je anvertraut, wie mein Liebster hieß. Bis jetzt.“
Cara spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. Sie bedeckte Lovies Hand mit der ihren, nicht nur, um ihre Mutter, sondern auch um sich selbst zu trösten. „Ich hatte ja keine Ahnung“, flüsterte sie kaum hörbar. „Ich habe mich immer schon gefragt, ob er dich wohl verprügelt hat.“
„Ihr zwei, du und Palmer, verbrachtet die Nacht gerade bei Freunden – Glück im Unglück, für das ich dankbar war, denn so ließen sich die Blutergüsse mit einer erfundenen Geschichte und einem fiktiven Sturz erklären.“
„Jetzt erinnere ich mich! O Mama! Wie konnte ich so naiv sein!“
„Du warst doch noch ein Kind! Wie hättest du darauf kommen sollen? Stratton hat mich vor dieser Nacht nie geschlagen und es auch nie wieder getan, doch dieses eine Mal reichte aus, und ich erkannte seine brutale Natur.
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