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Nur dieser eine Sommer

Nur dieser eine Sommer

Titel: Nur dieser eine Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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erwiderte sie. „Bist du sicher? Sind hier auch wirklich keine Egel? Ich hab etwas Bammel!“
    Einen Augenblick lang schwieg er. „Brauchst du nicht“, versicherte er dann, und diesmal lag kein neckender Unterton in seiner Stimme. „Ich passe schon auf dich auf!“
    Ich passe schon auf dich auf!
Seine Worte wärmten ihr das Herz. Hat das je ein Mann zu mir gesagt? fragte sie sich. Sie konnte sich an keinen erinnern. Im Allgemeinen vertraute sie auf sich selbst und entsprach nicht dem Frauentyp, der sich von den Herren der Schöpfung umsorgen ließ. Instinktiv spürte sie, dass Brett ein Mann war, der Frauen mit Respekt begegnete und sich um sie bemühte. Er fühlte sich wohl in seiner Haut und von einer starken Frau offenbar nicht im Geringsten in seiner Männlichkeit bedroht. Und das wiederum vermittelte ihr den Eindruck, sie dürfe sich in seiner Gegenwart beruhigt ganz als Frau geben. Sie ließ das Kinn auf seine Schulter sinken, ihr Atem ging ganz nah an seinem Ohr. Die Stille ringsum strahlte etwas ungeheuer Erotisches aus, sodass Cara am liebsten gar nicht ans trockene Land gelangt wäre. Mein lieber Scholli, ermahnte sie sich und wiederholte in Gedanken Emmis griffig klingende Warnung. Jetzt erkannte sie, warum Brett Beauchamps die Herzen aller weiblichen Teenager gebrochen hatte.
    Endlich setzte er sie auf festem Grund ab, dehnte die Muskeln und rollte die Schultergelenke.
    „Für so ein mageres Huhn hast du ein ganz schönes Gewicht“, stöhnte er.
    „Herzlichen Dank“, entgegnete sie pikiert und stellte den Seesack ab. „Aber falls du glaubst, ich würde zu Fuß zum Boot zurückkehren, hast du dich getäuscht. An diese Art von Transport kann man sich glatt gewöhnen!“
    „Dann zeig dich mal schön von deiner besten Seite, Miss Rutledge!“
    Das klang ziemlich zweideutig, woraufhin Cara die Stirn runzelte.
    „Man wird doch wohl noch frotzeln dürfen“, beschwerte er sich. „Komm mit! Ich führ dich ein wenig herum.“
    Sie brachen wieder auf, und diesmal ging es über einen sanft ansteigenden Pfad, der sich durch verfilztes Spartgras in Richtung eines Hains schlängelte. Die Sonne ging bereits unter; die letzten Strahlen tauchten die kleine Insel in lavendelblaues Halbdunkel, geheimnisvoll und fremdartig zugleich. Bald führte der Weg durch ein grünes Grenzland aus niedrigem Gestrüpp in den Wald hinein. Dort standen stellenweise die Bäume so dicht beieinander, dass sie einen undurchdringlichen Wall bildeten, schwarz wie die Nacht. Brett lief voraus und folgte dem Pfad, der sich in Schlangenlinien durch den Wald wand.
    Im Innern des Wäldchens beschirmte sie ein Baldachin aus Wipfeln und Ästen. Vor ihnen lag ein wahrer Garten Eden, bestehend aus Eichen, Kiefern, Zedern, Stech- und Fächerpalmen. Hie und da blühten leuchtend rote und gelbe Blumen in gesprenkelt funkelnden Gruppierungen. Plötzlich und unerwartet standen Cara und Brett vor einer kreisrunden Lichtung, die sich wie ein Amphitheater zum Himmel hin öffnete. Wie ein Reh, das zum Äsen aus der Deckung heraustritt, setzte Cara behutsam einen Fuß in den Kreis und schaute nach oben.
    „Zauberhaft!“ rief sie aus. „Kein Wunder, dass du dies Fleckchen geheim hältst!“
    Ihre Reaktion erfreute ihn sichtlich. Er lächelte. „Früher schlugen Indianer hier ihr Lager auf. Ich habe Tonscherben und Muschelhügel gefunden. In ihrer Sprache nannten die Indianer Inseln wie diese
hammocka
– daher die Bezeichnung Hammock. Auch Wild zieht sich gern hierher zurück. Rehe, Waschbären, Vögel …“
    „Rehe? Wie gelangen die denn hierher?“
    „Sie schwimmen.“
    „Nicht zu fassen! Vom Festland herüber?“
    „Hin und zurück. Ich hab’s mehrmals mit eigenen Augen gesehen. Hier finden sie alles, was sie brauchen – Deckung, dichte Ruhezonen und Nahrung in Hülle und Fülle. Wenn es geregnet hat, sammelt sich Frischwasser zwischen den Dünen und auf den Blättern. Den Tieren bietet sich hier einfach mehr Schutz so weit vom Festland entfernt.“
    „Begreiflich, dass es den Indianern hier gefiel. Eine richtige Idylle. Und irgendwie weihevoll, wie in einem Tempel. Wahrscheinlich war’s in alten Zeiten mal ein Heiligtum, ein Ort für rituelle Handlungen.“ Sie blickte Brett an. Ihre Lippen zuckten. „Ich könnte mir vorstellen, dass du selbst über die Jahre gewisse Rituale an dieser heiligen Stätte zelebriert hast!“
    „Einige. Das Verzehren köstlicher Speisen beispielsweise. Also los, schlagen wir unser Lager auf! Wenn ich nicht

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