Nur dieses eine Mal
geblähten Nasenflügeln stand Cady ihrem Spiegelbild gegenüber und schüttelte den Kopf. Sie wollte die Umkleidekabine nicht verlassen. Selten hatte sie sich mit so viel Stoff so unbekleidet gefühlt. Aléjandro hatte ihr vor wenigen Minuten ein bodenlanges, schwarzes Kleid hereingereicht. Nach all den kurzen Stofffetzen, die er ihr vorher hatte andrehen wollen, war sie schon überrascht gewesen.
Jetzt wusste sie, warum er ausgerechnet dieses ausgesucht hatte.
Wenn sie sich nur von vorne betrachtete, wirkte es regelrecht züchtig. Mit langen Ärmeln und geradem Halsausschnitt schmiegte der seidige Stoff sich auf fast schon obszöne Weise an jede Rundung ihres Körpers. Der tiefe Rückenausschnitt endete allerdings nur knapp oberhalb ihrer Pobacken und sie zupfte unbeholfen daran herum. Hinzu kam ein Schlitz im Rock, der bis zu ihrem Oberschenkel reichte.
Es war ... sexy.
Ja, eindeutig - und sie hasste es.
Kopfschüttelnd drehte sie sich vor dem Ganzkörperspiegel zur Seite. Wenn sie sich auch nur ansatzweise fühlen würde wie Guilia, dann wäre sie schon längst aus der Kabine getreten. Aber sie war nun mal nicht Guilia. So wenig wie sie Mitte zwanzig war, über eine perfekte Figur verfügte oder wusste, wie man sich sexy bewegte.
An ihr war nichts makellos. Sie hatte Narben und Orangenhaut. Das Kleid saß nur deshalb so vollkommen, weil der Stoff strapazierfähig war. Nicht, weil ihre Figur nach dem gewaltigen Gewichtsverlust, wie durch ein Wunder, in die Form zurück geflutscht war, die sie mal gehabt hatte.
„Kommst du diesmal raus?“, wollte Aléjandro auf der anderen Seite des schweren Vorhangs wissen. Sie hätte ihm am Liebsten ein Nein ins Gesicht geschrien. Cady ächzte lautlos. Ihr blieb einfach nichts erspart. Allerdings hatte sie sich die letzten drei Mal schon geweigert, die Kabine zu verlassen. Sie konnte sich nicht ewig verstecken.
„Moment noch“, gab sie zurück.
Kritisch ließ sie den Blick über ihre eigene Gestalt wandern. Dieses Kleid war die reinste Provokation, aber wenn sie ehrlich war, hatte Aléjandro nur ihre Wünsche umgesetzt. Schwarz und lang hatte sie verlangt und im Gegensatz zu den schrillen, kurzen Partykleidchen, die er ihr vorher gereicht hatte, besaß dieses noch eine gewisse Eleganz.
Sie seufzte.
Zumindest machte sie nicht die schlechteste Figur darin und es kaschierte trotz des figurbetonten Schnittes ihre unschönen Problemzonen. Hier zeichnete sich weder Cellulite ab, noch erhaschte jemand einen Blick auf ihre Dehnungsstreifen. Mit ein paar hochhackigen Schuhen, dem passenden Make-up und einer anderen Frisur würde sie durchaus ein elegantes Bild abliefern. Glücklicherweise brauchte sie die Brille in der Regel nur zum Lesen und Autofahren, allerdings vergaß sie die halbe Zeit sie wieder abzusetzen.
Sie gab ein abfälliges Schnauben von sich und straffte die Schultern.
Kumpeltyp, ja?
Entschlossen löste sie den Pferdeschwanz in ihrem Nacken und fuhr sich mit den Fingern durch das Haar. Sich die Turnschuhe von den Füßen streifend, zupfte sie das Kleid zurecht und drehte sich hin und her. Okay, sie würde ihm beweisen, dass sie auch anders konnte. Dieses Outfit hing definitiv nicht wie ein Sack Kartoffeln an ihr.
Natürlich liebte sie ihre Jeans und die lässige Kleidung, aber sie ließ sich nicht nachsagen, sie habe keinen Stil. Der Vorwurf, den er ihr diesbezüglich gemacht hatte, nagte immer noch an ihr. Selbst wenn er es angeblich gar nicht so gemeint hatte.
Welche Frau wünschte sich, so etwas gesagt zu bekommen?
Arbeite an deinem Sexappeal.
Sie würde ihm beweisen, dass sie darüber reichlich verfügte!
Tief durchatmend wandte Cady sich dem Ausgang zu und schob den Vorhang beiseite. Deutlich selbstbewusster, als sie sich tatsächlich fühlte, trat sie aus der Kabine und ging mit wiegenden Hüften an Aléjandro vorbei. Nachdem sie sich vor ihm gedreht hatte, stemmte sie die Hände in die Taille. Auffordernd sah sie ihn an.
„Und? Entspricht das eher deinen Vorstellungen?“
Seine braunen Augen schienen noch dunkler zu werden, während er sie von Kopf bis Fuß begutachtete.
Ein anzügliches Lächeln legte sich auf seine Lippen. Cady spürte ihr Herz wild klopfen und biss die Zähne aufeinander. Für einen Moment war sie versucht, die Arme vor der Brust zu verschränken, aber der Blick, mit dem er sie gefangen hielt, verursachte ihr ein weiteres aufregendes Prickeln. Seine Miene blieb prüfend.
„Angesichts der Tatsache, dass du hart auf die
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