Nur ein Augenblick des Gluecks Roman
ihr zuzuhören. Sie musste wissen, ob ihre Geheimnisse noch geheim waren. »Ich will wissen, was du gesagt hast.«
In einer altvertrauten Geste legte Robert seine Hände auf ihre Schultern. »Komm schon, Caroline, wir haben doch Besseres zu tun. Da unten füllt sich der Ballsaal mit Hunderten von Menschen … und alle sind gekommen, um zu Ehren des UnabhängigenVersicherungsvertreters des Jahres ein schlecht gebratenes Hähnchen zu essen.« Robert ließ seine Hände über die Ärmel von Carolines cremefarbenem Spitzenkleid gleiten. »Außerdem warten sie darauf, einen Blick auf die unglaublich schöne Frau zu erhaschen, mit der der Vertreter des Jahres verheiratet ist.«
Das war der Moment, in dem Caroline die sich anbahnende
Explosion nicht mehr aufhalten konnte. Alles, was sie hätte tun müssen, war, das Thema Mitch nicht weiter zu verfolgen; es in dasselbe schale Schweigen abgleiten zu lassen, in dem so vieles in ihrer Ehe gelandet war. Doch Caroline wusste, dass die Angelegenheit das Potenzial hatte, einen gewaltigen Schaden anzurichten.
Schon schleuderte sie Robert die nächste Frage entgegen: »Wenn es nicht wichtig war, dass du Mitch getroffen hast, warum hast du es mir dann erzählt? Nur um mich aufzuregen?« Wieder lag Roberts Hand auf ihrer Schulter; sie schob sie energisch fort. Ganz bewusst ignorierte sie sein Angebot einer Waffenruhe, und er reagierte genau so, wie sie es erwartet hatte.
Mit drohender Stimme entgegnete er: »Weshalb solltest du dich denn aufregen? Ich habe Mitch getroffen.Auf einer Flughafentoilette. Für eine halbe Sekunde. Er ist jemand, den ich vor ewigen Zeiten einmal kannte und den ich wahrscheinlich niemals wiedersehen werde. Das ist alles.«
Robert stürzte aus dem Bad, und Caroline folgte ihm. »Hast du ihm gesagt, dass ich auch hier bin?«
Robert nahm seine Smokingjacke vom Bett. »Ich hielt es nicht für nötig, den Mann, der meine willensschwache Frau gevögelt hat, darüber zu informieren, dass sie sich in Reichweite befindet.«
Caroline wich zurück. Auf der Stelle ließ Robert die Jacke fallen und versuchte, sie an sich zu ziehen. »Caroline, es tut mir leid.« Sie schlug seine Hand fort. Das Bedauern stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Das hätte ich nicht sagen sollen.«
Wieder streckte er die Hände nach ihr aus. »Bitte. Lass es ruhen. Mitch ist Geschichte. Wir haben ihn überlebt. Und wir haben alles überlebt, das er verursacht hat. Wir haben
uns durchgekämpft. Es gibt keinen Grund, alles wieder aufzuwühlen.«
Ein Teil von Caroline wollte ihm zustimmen, wollte es tunlichst vermeiden, den abgegriffenen Katalog ihrer gegenseitigen Beschuldigungen wieder zu öffnen. Doch anders als bei anderen Gelegenheiten, bei denen sie über Mitch und die Geschehnisse in jenem Oktober vor 30 Jahren gestritten hatten, war Mitch diesmal selbst an der Sache beteiligt gewesen. Caroline musste wissen, was zwischen den Männern vorgefallen war. Sie musste die Gewissheit haben, dass bestimmte Details jenes Tages weiterhin im Dunkeln blieben.
»Erzähl mir, was du zu ihm gesagt hast, Robert.« Carolines Aufforderung hatte einen drohenden Unterton.
Roberts Blick flehte sie an, ihre Worte noch einmal zu überdenken. »Wir sind schon sehr lange zusammen«, begann er. »Inzwischen sind wir auf der Zielgeraden.Wir haben den größten Teil unseres Lebens hinter uns.Also lass uns die Zeit, die uns bleibt, wie lange sie auch sein mag, nicht damit verschwenden, uns gegenseitig wegen Dingen zu traktieren, die sich nicht mehr ändern lassen. Es tut mir leid wegen des ›willensschwache-Frau‹-Unsinns. Ich habe es nicht so gemeint. Himmel, Caroline, du weißt doch, dass ich dich liebe. Ich habe dich immer geliebt. Dich und die Mädchen, und jetzt auch Lissas Kinder. Ihr seid meine Welt, der Grund, weshalb ich jeden Morgen aufstehe. Und ich weiß auch, dass du mich geliebt hast. Du wärest nicht nach all den Jahren immer noch hier bei mir, wenn es nicht so wäre.«
»Robert, ich muss es wissen!« Caroline schrie ihn derart heftig an, dass ihre letzten Worte nur keuchend und krächzend herauskamen. »Was hast du zu Mitch gesagt? Was hast du ihm erzählt?«
»Es ist nicht wichtig!« Nun brüllte Robert ebenfalls. Er trat von ihr weg und stellte sich ans Fenster.
»Aber für mich ist es wichtig!« Caroline schob sich zwischen ihn und das Fenster. Es waren keine zwei Zentimeter zwischen ihnen. Sie konnte sehen, wie die Ader an seinem Hals pulsierte, und sie spürte die Hitze seines Atems
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