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Nur ein Blick von dir

Nur ein Blick von dir

Titel: Nur ein Blick von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. C. Ransom
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nervös, wie ich gesagt hab.«
    »Komm schon, besser, wir bringen die Vorstellung hinter uns. Sie wartet in der Galerie.« Ich konnte das Lächeln in seiner Stimme hören.
    Ich zog die Tür auf und war wie immer sprachlos über die Weite des Raums vor mir. Die Flüstergalerie bot einen eindrucksvollen Blick auf den Boden der Kathedrale, enthüllte aber auch das volle Ausmaß der Kuppel selbst. Wie meistens saßen sehr viele Touristen auf der langen Bank an der Wand der Galerie und flüsterten etwas, den Mund auf die Wand gerichtet, in der Hoffnung, dass irgendjemand ein Stück weiter sie verstehen würde. Den meisten schien nicht klar zu sein, dass es dieselbe Wirkung hatte, wenn man ganz normal dasaß und leise sprach. Und niemand außer mir wusste, wer genau für diese eigenartige akustische Erscheinung zuständig war. Die Versunkenen saßen und standen entlang der Galerie, von allen anderen ungesehen, und es war ihre Anwesenheit, die auf irgendeine Weise den Klang reflektierte.
    Ich holte tief Luft. »Nach links, hast du gesagt?«
    Callum lächelte mich wieder an, und einen Moment war ich davon abgelenkt, ihn neben mir sehen zu können. »Ja, nach links. Sie ist gleich da vorne. Ich verspreche dir, dass das gut läuft.«
    »Wenn du das sagst«, nuschelte ich und fingerte völlig unnötig an meinem Mundstück herum.
    »Ah, da bist du ja. Komm her, das ist Alex.«
    Er sprach in einem unerfreulich liebevollen Ton, und so beobachtete ich die Gestalt genau, die sich näherte. Sie war transparenter als Callum, und ich konnte sie nicht so deutlich sehen wie ihn, doch ich konnte erkennen, dass sie völlig in ihren Umhang eingewickelt war und ihr die Kapuze weit über das Gesicht hing. Ich setzte mich auf den freien Teil einer Bank und holte den Spiegel hervor. In dem kleinen Stück Glas kam Olivia nun voll zum Vorschein. Noch während ich sie beobachtete, zeigten sich kleine, zierliche Hände zwischen den Falten des schweren Stoffs und bewegten sich zögernd zur Kapuze. »Das ist in Ordnung, echt«, ermutigte Callum sie.
    Als ihre Hände die Kapuze fassten und sie nach hinten warfen, senkte sie den Kopf. Ich musste unwillkürlich nach Luft schnappen, als ich die Gestalt vor mir sah: Sie war zierlich und hübsch, mit kinnlangem kastanienfarbenem Haar und braunen Augen, die sanft in dem gedämpften Licht funkelten. Außerdem war sie sehr, sehr jung, nicht älter als vielleicht zwölf oder dreizehn, schätzte ich. Und der Gedanke nahm mir den Atem, dass dieses Kind in der erbarmungslosen, unglückseligen Welt der Versunkenen festsaß. Sie sah verschreckt aus, versuchte jedoch offensichtlich, tapfer zu sein.
    »Hi, du musst Olivia sein.«
    Ich spürte, wie Callum mir ins Ohr flüsterte: »Sie fühlt sich schrecklich, weil du nach dem, was Catherine gesagt hat, denken musst, sie wäre meine Freundin. Sie hat Angst, dass du sie hasst.«
    Ich blickte in die bekümmerten Augen des kleinen Mädchens vor mir und begriff, wie falsch ich gelegen hatte.
    »Ich räume mich mal aus dem Weg, damit ihr reden könnt«, sagte Callum, und dann verschwand wieder einmal das Prickeln aus meinem Arm. Im Spiegel sah ich, wie er Olivia kurz in die Arme nahm und sie dann auf mich zuschob.
    Vorsichtig setzte sie sich neben mich und hielt mir ihren Arm hin, wobei sie fürchterlich rot wurde. An einem so zierlichen Körper wirkte das Amulett groß und schwer. Ich bewegte meinen Arm so, dass die beiden Amulette zusammenkamen. Das Prickeln, das ich von Olivia erhielt, war anders, irgendwie leichter als das von Callum.
    »Hi«, sagte ich wieder. »Ich finde es schön, dich kennenzulernen.«
    Olivia wirkte vor Angst fast wie gelähmt, und ganz unten im Spiegel konnte ich sehen, dass ihre Hände sich ständig bewegten: Sie hatte jeweils mit Daumen und Zeigefinger einen ineinandergreifenden Ring gebildet – wie zwei Kettenglieder – und zog ständig nach beiden Seiten daran. Es erinnerte mich an die traurigen, endlos wiederholten Bewegungen von eingesperrten Tieren.
    »Das musst du nicht sagen, wenn du es nicht so meinst«, murmelte sie so leise, dass ich es fast nicht verstand.
    »Hör mal, nichts von der ganzen Sache mit Catherine war deine Schuld. Das weißt du doch, oder? Sie hat in allen Punkten gelogen. Dir kann man überhaupt keinen Vorwurf machen. Und eigentlich muss ich dir danken.«
    Ruckartig hob sie den Kopf, und einen Moment lang hielt sie die Hände ruhig. »Wieso?«
    »Weil er dir jeden Tag hilft, ist Callum ein wenig von seinem Kummer

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