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Nur ein Hauch von dir

Nur ein Hauch von dir

Titel: Nur ein Hauch von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. C. Ransom
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nicht funktionieren.«
    Ich seufzte. Er hatte recht, was wir wirklich wollten, war, einander in die Arme zu fallen, und das konnten wir nicht. Ich wählte das Zweitbeste.
    »Ich würde gerne mehr von dir und deinem Leben wissen. Du bist ein einziges Geheimnis.« Ich strich sanft durch die Luft, dort wo seine Backe sein musste.
    »Wirklich?« Er verzog das Gesicht. »Nicht alles wird dir gefallen.«
    »Möglich. Aber ich liebe dich, und deswegen möchte ich alles wissen.« Das auszusprechen ließ mich immer noch innerlich erbeben.
    »Glaub mir, ich will dich nicht abwehren. Ich liebe dich auch.«
    Mein Herz machte einen Satz, als er meine Worte wiederholte. »Keine Sorge, ich halte die Wahrheit schon aus.«
    Er stöhnte. »Okay, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Wo soll ich anfangen?«
    »Vielleicht mit einem ganz normalen Tag aus deinem Leben. Vierundzwanzig Stunden lang. Was machst du da?«
    Ich setzte ich mich im Schneidersitz hin und stellte den Spiegel gegen mein Knie, um ihn bequem sehen zu können.
    Er blickte nachdenklich in die Ferne. Und dann erzählte er.
    »Ein ganz normaler Tag … Also wir schlafen, jedenfalls einige von uns, und so wachen wir jeden Morgen auf der Flüstergalerie in St. Paul’s auf. Das ist unsere Basis, wo wir irgendwie
zu Hause
sind. Normalerweise ist es morgens am schlimmsten, wir wachen voller Kummer auf, deshalb hast du mich noch nie früh am Morgen gesehen, auch wenn es bei mir lange nicht so furchtbar wie bei den anderen ist. Wir sind jeden Morgen in unserem Grundstatus, also der Gefühlszustand, in dem wir waren, als wir im Fluss ertrunken sind. Es hängt natürlich auch davon ab, welche Reserven wir in unseren Amuletten haben, doch nicht alle sorgen dafür, dass ihr Amulett immer gleichmäßig gefüllt ist. Also schwärmen wir aus und suchen unter den Berufspendlern nach gelben Auren. Die meisten kostet das den ganzen Tag, doch ich bin ziemlich schnell auf einem erträglichen Level, je nachdem, was im Morgenfernsehen läuft.
    Deswegen werde ich oft als Helfer eingeteilt. Ich hab dir vom zu tiefen Sinken erzählt. Wenn einer von uns in Gefahr ist, dann wählt unser Anführer – Chef, Boss oder wie immer du ihn nennen willst – jemanden aus, der ihm hilft: also, ihn ermutigt, ihm suchen hilft, damit er endlich bekommt, was er braucht. Die anderen mögen es nicht, wenn ich ihnen zugeteilt werde, weil ich anders bin. Aber wenn wir denen nicht helfen, die zu tief sinken, dann üben sie einen schrecklichen Einfluss auf die Gruppe aus. Dann ist es so, als würden sie ihren Kummer verströmen, und wir nehmen diesen Kummer dann auf. Deswegen ist es im allgemeinen Interesse, sie da schnell wieder rauszuholen.
    Ich werde so oft aufgefordert zu helfen, weil ich der bin, der am wenigsten unglücklich ist, und für mich selbst nicht so viel sammeln muss. Ich muss nur im Lauf des Tages ein paar flüchtige Gedanken einfangen, doch die meisten von ihnen müssen Aberhunderte von Gedanken und Erinnerungen sammeln und suchen stundenlang.«
    »Aber ihr habt einen Anführer? Wer ist das und warum?« Es war eine seltsame Vorstellung, dass es in seiner Welt eine eigene soziale Struktur gab.
    »Ja, die Gemeinschaft funktioniert dann besser. Wir bestimmen einen aus unserer Mitte, dem wir die Macht übertragen, die Entscheidungen für die Gruppe zu treffen. Wenn der Anführer das nicht länger tun will, wählen wir einen neuen.«
    »Aber wie viele seid ihr denn? Im Laufe der Zeit müssen doch Tausende von Menschen im Fleet ertrunken sein.«
    »Im Moment sind wir rund zweihundert. Catherine und ich sind die Jüngsten, vorher ist jahrelang niemand dazugekommen, und wir wissen nicht, warum. Der größte Teil des Fleets verläuft unter irgendwelchen Gebäuden und Straßen, vielleicht ist das der Grund. Unsere ältesten Mitbewohner sind wahrscheinlich schon viele hundert Jahre in St. Paul’s.«
    »Und du hast keine Ahnung, wann du und Catherine dazugestoßen seid?«
    »Nein, nicht sicher. Ohne eine Strukturierung der Woche ist es schwer, die Übersicht zu behalten. Jetzt bist du meine Orientierung.«
    »Okay, du pirschst also tagsüber durch London und saugst Erinnerungen auf. Und was passiert dann?«
    »Am Abend versammeln wir uns wieder in der Galerie. Ich weiß nicht, was passieren würde, wenn wir das nicht täten. Aber wir können nicht anders, es zieht uns einfach dorthin zurück. Weißt du«, fügte er mit einem Lachen hinzu, »wir sind es, die die Galerie flüstern lassen, nicht die

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