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Nur ein Katzensprung

Nur ein Katzensprung

Titel: Nur ein Katzensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Hartmann
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bei ihr meldete, war mehr als außergewöhnlich. Dass er nicht zur Arbeit erschien und offensichtlich seit Freitag weder Mails abgeholt noch den Anrufbeantworter abgehört hatte, bewies, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war.
    Sie stellte den Zafira an der Fachhochschule ab und ging die wenigen hundert Meter bis zur Fußgängerzone. Die Beratungsfirma „@dospasos“ befand sich im Katzensprungtor, in einem historischen Gebäude mitten im Stadtzentrum, das lange leer gestanden hatte. Bis Leon es sah, sich in das Haus verliebte und beschloss, seine gerade gegründete Firma darin unterzubringen. „@dos pasos“, nur zwei Schritte oder auch freier übersetzt: nur ein Katzensprung, so hieß sein Unternehmen, weil es Existenzgründern ein Rundumsorglospaket schnürte. „Sie rufen an und vereinbaren einen Termin, zwei kleine Schritte für Sie, den Rest erledigt unser kompetentes Team.“ So lautete der Werbespruch, den er sich ausgedacht hatte.
    Wie ein Schuljunge hatte er sich gefreut, als er entdeckt hatte, dass das Haus leer stand. Seine beiden Partner, Oliver Nussbaum und Stella Anders, waren eher skeptisch. Sie empfanden das Haus als zu klein und zu alt, wollten etwas Repräsentativeres. Irene hielt sich da raus. Sie war nur angestellt. Andererseits bewunderte sie Leons Hang zum Understatement, jedenfalls so lange, bis sie sich fragte, ob sie auch dazu gehörte. Ob er sich nur mit ihr abgab, weil sie nichts Besonderes war, weil sie nicht auffiel. Im Gegensatz zu Stella, die Irene immer deutlich zu verstehen gab, dass Leon etwas Besseres verdient hatte, nämlich sie. Doch Leon sah das anders, wie so oft.
    „Was brauchen wir denn unbedingt?“, hatte er gefragt. „Einen Empfangsraum“, dabei hatte er Irene lächelnd angesehen, „drei Büros, ein Besprechungszimmer und eine Art Lagerraum für Fotokopierer, Papier usw. Mehr nicht. Das Haus hat einfach Flair, und die Lage, 1a, sage ich euch. Spitzenklasse.“
    „Ohne Parkplätze“, hatte Stella gemurrt.
    „Viel zu dunkel“, wandte Oliver ein.
    „Aber mit Charakter und Stil“, sagte Leon.
    Ein halbes Jahr später waren sie umgezogen. Irenes Schreibtisch wurde so aufgestellt, dass sie vor dem Fenster saß. Wenn sie sich umdrehte, konnte sie auf den kleinen Brunnen schauen. Bei schönem Wetter kletterten eigentlich immer Kinder darauf herum. Frauen standen daneben und unterhielten sich. Der türkische Gemüsehändler kam auch oft nach draußen und drapierte Paprika, Möhren und Orangen so, dass sie zum Zugreifen einluden.
    Leon hatte das größte Büro bekommen, Olivers schaute auf die Seite hinaus, wo früher die Synagoge gestanden hatte. Stella hatte zwei Räume zu ihrer Verfügung, beide ziemlich klein, aber als Steuerberaterin arbeitete sie mit sensiblen Daten. So konnte sie alle Akten auf dem Schreibtisch liegen lassen, wenn ein Kunde sie besuchte und sie ihn im zweiten Büro empfing.
    Irene mochte das Besprechungszimmer am liebsten. Viel Holz und große Fenster. Oft genug breitete sie ihre Unterlagen auf dem massigen, ovalen Tisch aus, wenn sie sich auf eine Besichtigung vorbereitete, und das nicht nur, weil er die größte Oberfläche aufwies.
    Die Firma brummte. Sie mussten die ersten Kundenaufträge ablehnen. Es gab eine Warteliste. Und nun das. Sie hastete weiter, zog im Laufen das Handy aus der Tasche und wählte noch einmal Leons Nummer. Keine Verbindung. „The number you have dialed is currently not available.“ Vielleicht war ja sein Mobiltelefon ins Klo gefallen. Genau, oder der Papst besuchte einen Swingerclub.
    Sie rempelte einen jungen Mann an, der aus der Tür trat, als sie um die Ecke bog. „Die Firma ist heute geschlossen“, sagte er, ein wenig vorwurfsvoll.
    „Ich weiß, ich arbeite da“, sagte Irene atemlos.

    Oliver und Stella saßen im Besprechungszimmer, jeder auf einer Seite des Tisches. Das sah Irene sofort, als sie die Firmenräume betrat. Beide hatten eine dampfende Tasse vor sich. Stella entdeckte Irene zuerst.
    „Da bist du ja endlich.“
    „Ging nicht schneller, die haben jede Ecke auf Feuchtigkeit überprüft und alle Räume nachgemessen“, sagte Irene, während sie ihre Jacke aufhängte. Den Umweg mit ihrer Tochter erwähnte sie lieber nicht.
    „Wir müssen die Polizei informieren“, sagte Oliver.
    „Die Polizei? Wieso?“ Irene verstand ihn nicht.
    Oliver lehnte sich vor. „Wir alle haben am Wochenende versucht, Leon zu erreichen, oder?“
    Die beiden Frauen nickten.
    „Das ist uns nicht gelungen. Heute

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