Nur ein Katzensprung
näherte er sich dem Stadtzentrum, bemerkte er die ersten Übertragungswagen am Straßenrand. Ein Kamerateam stand auf dem Parkplatz eines Supermarktes und interviewte ein paar ältere Schüler. Kofi verzichtete heute Morgen darauf, sich Campingwecken zu kaufen.
Vor der Grundschule gingen ein paar grimmig aussehende Eltern auf und ab. Sie überprüften jeden, der größer als einen Meter war und das Gebäude betreten wollte.
Das konnte noch heiter werden. Kofi runzelte die Stirn. Wenige hundert Meter weiter fuhr er auf den Parkplatz seiner Dienststelle.
Obwohl er sich von hinten ins Haus schleichen wollte, liefen zwei Mikrofonträger auf ihn zu. Er entwischte ihnen nur knapp und schlug die Tür hinter sich zu.
Auf der Dienststelle ging es zu wie auf dem Nürnberger Christkindlmarkt. Alle liefen durcheinander, drängelten, rempelten, und niemand hatte Zeit. An mehreren Stellen hatte man zusätzliche Arbeitsplätze eingerichtet, auf den Besucherstühlen saßen Frauen mit Laptops und Headsets, die unablässig zu telefonieren schienen.
Er winkte Guntram Schnitter, der Dienst im Empfang machte. Normalerweise ging er an den Tresen und wechselte ein paar nette Worte. Das war ihm heute viel zu anstrengend. So schnell es ging, stieg er die Treppe in die obere Etage hinauf. Alle Türen, durch die er musste, standen offen.
Stefan Ollner saß bereits an seinem Schreibtisch. Zwei leere Kaffeetassen befanden sich neben dem Monitor.
„Morgen, bist du schon lange da?“
Ollner sah nur kurz auf. „Konnte nicht schlafen.“
Kofi stellte sich hinter ihn und sah ihm über die Schulter. „Ist was Interessantes dabei?“
„Das kann ich schlecht sagen. Ich filtere alles heraus, was sich auf Emma beziehen könnte. Mausig will übrigens, dass wir in die Schule fahren und mit Emmas Klassenlehrerin sprechen.“
Kofi ergänzte: „Wir müssen unbedingt herausfinden, ob es etwas gibt, das die Kinder verbindet.“
Ollner sah ihn überrascht an. „Genau, und das pronto.“
„Bisher fallen mir nur Abweichungen ein. Junge und Mädchen, arm und reich, im Dunkeln und am Tage entführt.“
„Immerhin gehen beide auf die gleiche Schule.“
„Der Junge ist sieben und das Mädchen elf.“
„Sie wohnen beide in Holzminden.“
„Cool, abgesehen von dem toten Jungen, den wir im Graben gefunden haben.“
„Wissen wir, um wen es sich handelt?“
„Ist heute Nacht bestätigt worden. Hilmar Herzke aus Heide. Er wurde vor knapp vier Wochen nach einem Fußballturnier entführt. Er war zehn Jahre alt.“
„Auch ein Sportler!“
„Emma hat nichts mit Sport am Hut.“
„Bist du dir sicher?“, fragte Kofi.
Ollner schlug genervt auf die Tischplatte. „So kommen wir nicht weiter.“
Im Stillen musste Kofi ihm recht geben, aber es war ja nicht seine Schuld. Schließlich hatte er gestern Abend ewig darüber nachgedacht. „Lass uns zu Fuß gehen.“
Gemeinsam verließen sie das Gebäude durch die Schleuse am Vordereingang. Die Reporter bedrängten sie nicht mit Fragen, hielten aber ihre Kameras auf sie gerichtet. Kofi hätte sie zu gern auf den Arm genommen.
Vor der Grundschule standen drei Männer mit roten Armbinden. Sie ließen Kofi und Ollner erst durch, nachdem die sich ausgewiesen hatten.
Die Schulleiterin erwartete sie mit versteinertem Gesichtsausdruck hinter der Eingangstür. „Sie müssen mir glauben, dass das nicht meine Idee war.“
Kofi schüttelte ihr die Hand. „Sind das alles Väter?“
„Zwei, einer hat seinen Bruder mitgebracht.“
„Gibt es einen Anführer?“, erkundigte sich Ollner.
„Herrn Schwarze. Er hat gestern Abend zur Gründung dieses Sicherheitsdienstes aufgerufen. „
„Und hat viele Anhänger gefunden?“
„Kommen Sie mit in mein Büro. Da sind wir ungestört.“
Kaum hatte er sich gesetzt, fragte Ollner: „Wie viele sind es?“
„Etwa dreißig, würde ich schätzen. Auf der Versammlung waren noch mehr. Für den Dienst angemeldet hat sich nur ein Teil. Die meisten müssen selbst arbeiten.“ Sie hielt inne. „Sie kommen nie darauf, wer sich als Erster in die Liste eingetragen hat.“
„Herr Schwarze?“
„Frau Jänicke.“
„Das ist wahrlich ungewöhnlich. Hat sie das begründet?“
„Sie will selbst nach Kelvin suchen.“
„Das kann ja nicht schaden. Wir sind allerdings wegen Emma hier.“
„Emma Nielsen, geboren am 30. April 2000 in Hameln. Der Vater ist Spediteur, die Mutter gelernte Reiseverkehrskauffrau. Die Familie ist evangelisch und wohnt seit 2007 in
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