Nur ein Katzensprung
Stuhl.
Ruckartig stellte Ollner seine Kaffeetasse auf den Tisch, so dass der Löffel darin laut klirrte. „Wir warten schon zwanzig Minuten“, knurrte er.
Mausig tat so, als hätte er nichts gehört, obwohl Kofi sich sicher war, dass Stefan laut genug gesprochen hatte. Der Chef zuckte nicht einmal mit der Augenbraue.
„Meine Herren, ich würde gern mit den Ergebnissen unserer Telefondienste anfangen und Sie anschließend über die Erkenntnisse zum Fund der Leiche informieren.“ Er wartete keine Reaktion ab, sondern sprach nach einer kurzen Pause, in der er ein paar Papiere in die Hand nahm, weiter. Trotzdem nickten die versammelten Männer zustimmend.
Kofi ahnte allerdings bereits, dass er nichts Bahnbrechendes zu berichten hatte, dafür bewegte er sich zu langsam und sprach in viel zu vollständigen Sätzen. Trotzdem nahm er einen Stift in die Hand, um sich Notizen zu machen. Meistens brauchte es eine Weile, bis die Informationshäppchen sich zum großen Ganzen zusammensetzen ließen. Manchmal fehlte ihnen aber auch nur noch ein einziges Puzzlesteinchen, um dem Täter auf die Spur zu kommen.
Mausig holte tief Luft, bevor er anfing zu sprechen. „Wir erhalten unglaublich viele Anrufe. Unsere Leitungen sind oft überlastet, und auch der Server schaltet sich gelegentlich ab. Ich lasse die unsinnigen Anrufe außen vor. Sie können sich vorstellen, dass das eine ganze Menge sind. Davon abgesehen erhalten wir drei Arten Anrufe. Erstens melden sich Leute, die etwas im Umfeld der HAWK gesehen haben, zum Zweiten rufen Menschen an, die aufgrund der Informationen, die wir veröffentlicht haben, etwas aussagen wollen. Drittens gibt es Anrufer, die einen konkreten Verdacht gegen eine Person äußern oder mögliche Verstecke benennen.“
Ollner meldete sich und fragte: „Ist ausgeschlossen, dass bei den als unsinnig aussortierten Anrufen etwas Wertvolles dabei ist?“
„Sie denken daran, dass der Täter selbst Kontakt zu uns aufnimmt. Ausgeschlossen ist das natürlich nicht. Aber wir zeichnen alle Anrufe auf. Sobald unsere Mitarbeiterinnen Zeit haben, werden sie auch diese überprüfen. Bis dahin verlassen wir uns auf deren Lebenserfahrung und Menschenkenntnis. Wenn ihnen etwas verdächtig erscheint, haben Sie Anweisung, diese Anrufe direkt zu melden. Mehr können wir im Moment nicht tun. So leid es mir tut.“ Mausig machte eine Pause und setzte sich. „Kommen wir zur ersten Kategorie. Es ist inzwischen so gut wie sicher, dass Detlef Hanske zu einem Zeitpunkt von einem Mann abgeholt wurde, als Kelvin Jänicke noch vor der HAWK stand. Soweit wir das beurteilen können, unmittelbar am Straßenrand, neben dem Buswartehäuschen, zwischen Mülleimer und Bordsteinkante. Bestätigt hat sich inzwischen auch, dass der Rucksack an der Bushaltestelle zurückgeblieben ist und später, vermutlich von Passanten, mitgenommen wurde. Kelvins Rucksack wurde durchwühlt, und als man nichts Wertvolles fand, wurde er achtlos fallen gelassen. Frau Jänicke bestätigte, dass nichts fehlte, konnte allerdings nicht sagen, ob die Unordnung darin von ihrem Sohn oder Fremden verursacht worden war.“
Kofi unterbrach ihn. „Das heißt, wenn die den Mut hätten, sich zu melden, könnten wir den Zeitpunkt von Kelvins Verschwinden eingrenzen.“
„Vielleicht haben sie auch etwas gesehen und trauen sich nicht, auszusagen, weil sie befürchten, wegen Diebstahls belangt zu werden.“
„Uns liegt die Aussage eines Busfahrers vor. Er behauptet, gegen 19.17 Uhr langsam an der Bushaltestelle vorbeigefahren zu sein. Aus seinem Bus wollte kein Fahrgast aussteigen, so dass er geguckt hat, ob eventuell jemand einsteigen möchte. Dabei hat er den Rucksack bemerkt, obwohl niemand an der Haltestelle wartete.“
„Das würde bedeuten, dass der Rucksack lange nach Kelvins Verschwinden weggetragen wurde.“
„Warum hat ihn dann Frau Jänicke nicht bemerkt, als sie zum ersten Mal vor der HAWK ankam, um ihren Sohn abzuholen?“
„Gute Frage. Lässt sich vielleicht mit Aufregung erklären.“
„Könnte genausogut ein anderer Rucksack gewesen sein“, warf Herbert Heinrich ein.
Mausig unterbrach die Diskussion mit einer Handbewegung. „Immerhin ist der Trainer Detlef Hanske eindeutig nicht an Kelvins Verschwinden beteiligt.“
„Wobei mich interessieren würde, wer ihn abgeholt hat und vor allem, warum er uns diesen Entlastungszeugen bisher vorenthalten hat“, warf Kofi ein, der an Hanskes seltsames Verhalten bei seinem Besuch bei ihm
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