Nur ein Katzensprung
sonst hätten die Kollegen ihn beatmet.
Er hatte seinen Wagen erreicht und setzte sich hinein. Wegfahren wollte er noch nicht. Wo sollte er hin? In seine Wohnung? Schlafen konnte er jetzt sowieso nicht.
Und als Ollner mit seinem Fahrrad diesen Feldweg entlanggeradelt war, was war passiert? An dem Apfelbaum hatte er angehalten, hatte sich einen Apfel gepflückt und eine Pause gemacht. Dabei entdeckte er Kelvins Körper, und bevor er die Kollegen informieren konnte, wurde er von irgendjemandem aufgespürt und seinerseits für den Täter gehalten.
Mitglieder der Bürgerwehr?
Das würde den kryptischen Anruf erklären. Schlechtes Gewissen, als sie erkannten, dass sie es mit einem Polizisten zu tun hatten.
Wütend hieb er auf das Lenkrad. Gleich morgen früh würde er die Bande aufmischen, die konnten sich auf etwas gefasst machen.
Er fuhr los. Als er sich der Innenstadt näherte, beschloss er, noch durch ein paar Seitenstraßen zu fahren. Unter Umständen begegnete er einer dieser Bürgerwehr-Patrouillen. Doch die Straßen waren heute Abend wie ausgestorben.
Vor dem Partyservice von Anna Blume hielt er an. Brannte noch Licht? Aus den Akten wusste er, dass sie im Haus über dem Geschäft wohnte.
Was wollte er hier? Er schüttelte den Kopf über sich selbst und gab Gas.
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
Holzminden
Freitag, 4. November 2011
gegen 7.30 Uhr
30
Irene hatte für Kim einen warmen Kakao angerührt und sprühte gerade einen Klecks Sahne darauf, als ihre Tochter in die Küche kam. Sie trug ein rosa Sweatshirt mit der Applikation eines weißen Ponys aus flauschigem Samt. An der etwas zu kurzen Jeans fiel Irene auf, dass Kim schon wieder ein gutes Stück gewachsen war.
Sie hoffte inständig, dass die rosa Phase möglichst bald vorüberging. Weder Rosa noch Pink passten zu ihren rotblonden Locken. Trotzdem lächelte sie ihr zu. Was spielte es für eine Rolle, ob sie nach Erwachsenenstandards passend gekleidet war, solange sie so glücklich strahlte wie heute Morgen?
Sie frühstückten in aller Ruhe. Kim aß zwei Toasts mit Erdbeermarmelade, Irene ein Müsli mit einer Babybanane. Zuerst sprachen sie über Annas neues Kräutersalz. Danach erzählte Kim von dem kleinen Regal, das Paul für Annas Gewürze gebaut hatte. Ihr gefiel besonders, dass er es ihr zuliebe pink gestrichen hatte, obwohl er die Farbe doof fand.
Auch während der Autofahrt zur Schule hörte Kim nicht auf zu reden.
Vor dem Schulgebäude gab es das übliche Morgenchaos. Allerdings liefen die Kinder nicht allein über den Bürgersteig und ins Haus. Sie sammelten sich unter Aufsicht in kleinen Gruppen und wurden ins Haus begleitet. Irene sah es mit gemischten Gefühlen. Sie winkte ihrer Tochter, die sie jedoch nicht mehr beachtete, weil sie bereits von drei anderen Mädchen, die ebenfalls rosa trugen, umringt worden war.
Nachdem Irene einen Parkplatz gefunden hatte, spazierte sie zum Katzentor. Aus einem Impuls heraus ging sie schnell noch in den Lebensmittelladen und kaufte sich eine Ananas.
Seit sie gelesen hatte, dass die Ananas nicht nur zahlreiche Mineralstoffe und Spurenelemente enthalten, sondern auch Spuren von Vanillin aufweisen, die die Stimmung aufhellen, aß sie öfter eine. Dass die Frucht gleichzeitig anregend wirkte, gefiel ihr gut. Die versprochene erotisierende Wirkung hingegen hatte sie noch nie gespürt, wobei ihr das im Moment sowieso gleichgültig sein konnte.
Der Jugendliche an der Kasse bedachte sie mit einem freundlichen Lächeln. Irene errötete, obwohl sie natürlich wusste, dass er ihre Gedanken nicht lesen konnte und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht einmal ahnte, dass Ananas ein Aphrodisiakum war.
Sie grinste verschämt zurück und rannte beinahe zum Katzentorhaus.
Sie hatte gerade ihren Rechner hochgefahren, als Oliver in ihrem Büro auftauchte.
„Guten Morgen, was kann ich für dich tun?“
Er legte ihr einige Mappen auf den Schreibtisch und sagte: „Ich habe gestern noch ein paar Aufträge abgearbeitet. Es wäre gut, wenn du die Abschlussrechnungen schreiben könntest.“
Sie schaute sich die Reiter auf den Mappen an, um die Kundennamen lesen zu können. „Geht klar, das mache ich gleich, nachdem ich die Nachrichten auf dem Anrufbeantworter abgehört habe. Vielleicht ist ja etwas Wichtiges dabei.“
Er sah sie mitleidig an. „Du glaubst immer noch, dass er wieder auftaucht, oder?“
Erschrocken antwortete sie: „Natürlich, du
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